Nachhaltigkeitsmanagement im Sport
Von Prof. Dr. Gerd Nufer, Wirtschaftswissenschaftler und Sportökonom
Ausführliche Fassung des Beitrags aus dem Magazin BewegtBerlin, Nr. 4 (Juli/August 2024)
Zur Person: Gerd Nufer lehrt Betriebswirtschaftslehre mit den Schwerpunkten Marketing, Handel und Sportmanagement an der ESB Business School der Hochschule Reutlingen. Dort ist er Studiendekan des MBA International Management Part-Time sowie Akademischer Leiter des berufsbegleitenden Master-Programms M.A. International Retail Management. Gemeinsam mit Prof. Dr. André Bühler leitet er das Deutsche Institut für Sportmarketing sowie den „VfB Master/Power MBA“, ein berufsbegleitendes Weiterbildungs-Programm in Kooperation mit dem VfB Stuttgart mit den Fachrichtungen Leadership, Sportmanagement, Nachhaltigkeitsmanagement und Digitalisierungsmanagement.
Gerd Nufer studierte Betriebswirtschaftslehre an der Universität Tübingen und an der State University of New York at Stony Brook. Seine Doktorarbeit entstand an der Uni Tübingen in Kooperation mit adidas und einem Stipendium an der San Diego State University. Danach arbeitete er als Projektleiter bei der Unternehmensberatung Simon-Kucher & Partners in Bonn und als Key Account Manager in der Marktforschung bei der Information Resources GfK in Nürnberg. Später habilitierte er sich an der Deutschen Sporthochschule Köln. Gerd Nufer ist Mitglied im Promotionsverband Baden-Württemberg und besitzt das Promotionsrecht.
Einführung in die Thematik
Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Corporate Social Responsibility kennzeichnet die Verantwortung von Unternehmen für ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft. Damit die Unternehmen ihrer sozialen Verantwortung in vollem Umfang gerecht werden, sollten sie auf ein Verfahren zurückgreifen können, mit dem soziale, ökologische, ethische Menschenrechts- und Verbraucherbelange in enger Zusammenarbeit mit den Stakeholdern in die Betriebsführung und in ihre Kernstrategie integriert werden.
Nachhaltigkeitsmanagement als unternehmerische und gesamtgesellschaftliche Aufgabe hat längst den Sport- und Kulturbereich erreicht. Sportvereine, Verbände und Kultureinrichtungen sind nicht nur gefordert, nachhaltigere Events zu schaffen, sie müssen auch als Gesamtorganisation nachhaltiger wirken.
Unser Buch: Nachhaltigkeitsmanagement in Sport und Kultur. Grundlagen – Anwendungen – Praxisbeispiele
In unserem Buch haben wir uns zunächst mit den grundlegende Themen des Nachhaltigkeitsmanagements beschäftigt und gehen auf die wichtigsten betriebswirtschaftliche Funktionen eines nachhaltigen Managements ein. Darauf aufbauend beleuchten wir spezielle Aspekte des Nachhaltigkeitsmanagements in Sport und Kultur und stellen Fallbeispiele aus dem Fußball, Basketball, Golfsport sowie aus dem Kultursektor vor. Insgesamt zeigt unser Lehr- und Praxisbuch in 20 Kapiteln die unterschiedlichen Facetten eines ganzheitlichen Nachhaltigkeitsmanagements und gibt exklusive Brancheneinblicke. Es kommen insgesamt 27 Expertinnen und Experten aus unterschiedlichsten Disziplinen des Nachhaltigkeitsmanagements in Sport und Kultur zu Wort.
Status Quo von Nachhaltigkeit in der Sport- und Kulturlandschaft Deutschlands
Veranstaltungen im Sport- und Kulturbereich sind per se nicht umweltfreundlich. Akteure wie Sportler oder Schauspieler müssen ebenso wie Zuschauer an den Ort der sportlichen Wettkämpfe und kulturellen Aufführungen gebracht werden. Sport- und Eventstätten müssen beheizt und unterhalten werden. Wettkampfutensilien und Requisiten werden für Sport- und Kulturevents um die ganze Welt geflogen. All das trägt nicht gerade zu einer CO2-Reduktion bei. Dennoch ist es auch im Sinne der Sport- und Kulturorganisationen, die Folgen des Klimawandels abzuschwächen und wesentlich nachhaltiger zu agieren als dies bisher der Fall war. Neben diesem gesellschaftspolitischen Auftrag gibt es auch immer mehr gesetzliche und verbandsrechtliche Regularien, die Sport- und Kulturbetriebe zu nachhaltigem Handeln zwingen.
Herausforderungen des Nachhaltigkeitsmanagements in Sport und Kultur
Es gibt bereits viele gute Beispiele zur nachhaltigen Planung, Organisation und Durchführung von Veranstaltungen und laufendem Betrieb im Sport- und Kulturbereich. Neben der möglichst nachhaltigen Durchführung der Veranstaltungen dienen diese auch zur Vermittlung von nachhaltigen Verhaltensweisen an Teilnehmende und Gäste. Häufig ist es jedoch noch dem freien Willen der handelnden und ausführenden Personen und Organisationen überlassen, den Betrieb und die Durchführung nachhaltig zu gestalten. Darüber hinaus ist festzustellen, dass immer noch ein relevanter Anteil der Gesellschaft nicht bereit ist, höhere Kosten und Einschränkungen ihres Lebendstandards zu Gunsten von nachhaltigen Verhaltensweisen hinzunehmen. Die Überwindung des Nachhaltigkeits-Dilemmas bzw. des Attitude-Behavior-Gaps wird auf freiwilliger Basis nicht im notwendigen Umfang erfolgen. Insbesondere die Einschränkung der individuellen Mobilität im Autoverkehr scheint für einen großen Teil unserer Gesellschaft eine zu hohe Hürde darzustellen.
Best Practice Beispiele aus dem Sport
Die Deutsche Fußball Liga (DFL) hat für die erste und zweite Bundesliga ein umfassendes Nachhaltigkeits-Regelwerk geschaffen, das Bestandteil der Lizenzierungsordnung der DFL ist. Damit wird zukünftig die Berechtigung zur Teilnahme an den Wettbewerben der DFL mit umfangreichen Verpflichtungen zur Durchführung und Dokumentation nachhaltiger Handlungsweisen durch die Mitgliedervereine der DFL verbunden. Verpflichtend für die Clubs ist zukünftig der Nachweis einer Nachhaltigkeitsstrategie und einer Umweltstrategie. Dazu gehören jährliche Messungen des Wasserverbrauchs, der Abwasserproduktion und des Energieverbrauchs sowie eine Mobilitäts- und Verkehrsanalyse. Darüber hinaus haben alle Clubs einen Verhaltenskodex für ihre Mitarbeitenden nachzuweisen und sich klar zu einer vielfältigen Gesellschaft zu bekennen.
Der Basketballverein Alba Berlin versteht Nachhaltigkeit als ineinandergreifendes Modell von Ökologie, Sozialem und Wirtschaft. Dabei wird der Prämisse gefolgt, dass wirtschaftliches und soziales Handeln auch immer auf eine intakte Ökologie angewiesen ist. Dem stellt Alba Berlin seine Vorstellung gegenüber: Dem Verein geht es darum, Schlagworte wie „Recht auf Bewegung“ oder „lebenslanges Sporttreiben für alle“ mit realer Erfahrung zu füllen. Vor diesem Hintergrund spielt es zunächst keine Rolle, wie groß ein Sporttalent ist oder ob jemand einfach nur Spaß an der Bewegung hat Im Berliner Ortsteil Gropiusstadt wird das Sportmodell von Alba Berlin gelebt: Kindern und Jugendlichen wird ein vielfältiges Sportangebot gemacht, das auf großes Interesse stößt. Alba Berlin hat sich zum Ziel gesetzt, der nachhaltigste Basketballverein Europas zu werden – nicht nur in der sozialen, sondern auch in der ökonomischen und ökologischen Dimension.
Worst Practice Beispiel: FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar
Wir haben den Plan der FIFA (Soll, Selbstbild) und die öffentliche Wahrnehmung (Ist, Fremdbild) bezüglich der Nachhaltigkeit der Fußball- Weltmeisterschaft 2022 in Katar gegenübergestellt. Der Vergleich führt zu einer großen Diskrepanz. Er trägt jedoch dazu bei, den Erkenntnisprozess auf eine neue Ebene zu überführen. Hierfür haben wir Implikationen in Form von neuen Fragestellungen abgleitet, die es zukünftig zu beantworten gilt. Umweltschützer betonen, dass die Fußball-WM 2022 eine verpasste Chance war, die Struktur von Fußball-Weltmeisterschaften zu überdenken und einen grundlegenden Wandel anzustoßen. Das Thema Nachhaltigkeit muss zukünftig bereits bei der Vergabe einer WM einen zentralen Stellenwert einnehmen, um Akzeptanz bei der Bevölkerung zu schaffen und der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden.
Was auch kleinere Sportvereine daraus lernen und für Nachhaltigkeit tun können
Will man ein ganzheitliches Nachhaltigkeitsmanagement in einem Sportverein implementieren, so muss man die Strukturen innerhalb des Vereins verändern oder zumindest anpassen. Dabei gilt es, Strukturen zu schaffen, die personenunabhängig sind. Hinzu kommt, Nachhaltigkeit in der Strategie fest zu verankern. Ebenso muss es ein Team geben, das die Steuerung des Themas übernimmt. Ein Verein kann nur nachhaltiger werden, wenn man es schafft, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für Nachhaltigkeit zu begeistern. Je größer eine Sportorganisation ist, desto komplexer wird es.
Um nachhaltiger zu werden, sind auch Investitionen notwendig. Dazu gehört z.B. die Investition in nachhaltige Energien, mit denen die Treibhausgasbilanz verbessert werden kann. Nachhaltigkeit ist ein Transformationsprozess und kann viele Möglichkeiten eröffnen, z.B. durch die Gewinnung neuer Sponsoren für bereits vorhandene, aber auch für neue Themen. Dafür ist es notwendig, im Verein ein ganzheitliches Denken von und für Nachhaltigkeit schaffen. Der Sport muss und wird in einem Sportverein immer im Mittelpunkt stehen, aber das Thema Nachhaltigkeit kann unterstützen, den Sport zu stärken.
Fazit und Ausblick
Wirtschaftswachstum ist der Garant für Wohlstand und menschliches Wohlergehen. Wirtschaftswachstum ist aber auch eng verbunden mit Klimawandel und Verknappung natürlicher Ressourcen. Ein ungebremstes Wirtschaftswachstum wird unseren Planeten in absehbarer Zeit überfordern und Prozesse wie den Klimawandel weiter forcieren. Vielen Menschen ist mittlerweile bewusst, dass es ein „weiter so“ nicht geben darf. Wenn ein Unternehmen keinen Gewinn erwirtschaftet, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis dieses Unternehmen aufhört zu existieren. Für Unternehmen ist es also existenziell, Gewinne zu erzielen. Es stellt sich die Frage, ob dies auch durch ein nachhaltigeres Wirtschaften gelingen kann. Die Antwort darauf lautet: Ein nachhaltigeres Wirtschaften ist für Unternehmen sogar alternativlos. Sie können langfristig ihre Zukunft nur sichern, wenn sie ihre Geschäftstätigkeit auf Nachhaltigkeit ausrichten und diese fundamental in ihrer strategischen Ausrichtung und in den Köpfen sämtlicher Anspruchsgruppen verankern.
Buchtipp
Bühler, André/Nufer, Gerd (Hrsg.) (2023): Grundlagen – Anwendungen – Praxisbeispiele, Berlin, Erich Schmidt Verlag, 2023, Taschenbuch, 434 Seiten, ISBN 978-350323-663-3
Weitere Quellenangaben / Informationen zum Artikel:
BewegtBerlin 4-2024