Menschen für nachhaltige Entwicklung im Sport begeistern

Interview mit Anton Klischewski, Nachhaltigkeitsberater 

Ausführliche Fassung des Interviews aus dem Magazin BewegtBerlin, Nr. 4 (Juli/August 2024)

Anton Klischewski, Nachhaltigkeitsberater

Anton Klischewski

Zur Person: Anton Klischewski (29), Koordinator für Nachhaltigkeit und Engagement beim FC Internationale Berlin 1980, Referent Sport und Fairer Handel beim Aktionsbündnis in Berlin; Sport- und Nachhaltigkeitsberater, Mitglied der Kampagne „Sport handelt Fair“; im Ehrenamt Jugenddelegierter für ENGSO Youth (Jugendorganisation der European Sports NGOs).

Was tun Sie für Nachhaltigkeit im Sport?
Ich setze mich konkret seit knapp sechs Jahren mit Nachhaltigkeit im Profi- und Breitensport auseinander. Anfangs in meiner Forschung an der Universität Bordeaux, bei der es um Corporate Social Responsibility im europäischen Fußball ging. Nun geht es praktisch vor allem um das Management eines nachhaltigen Vereinslebens und meine Beratung zur fairen und ökologischen Beschaffung, die sich an Vereine, Verbände und Politik richtet. Außerdem halte ich regelmäßig thematische Workshops, Fachvorträge oder auch Uni-Seminare. 2023 konnte ich einen Fußball-Bundesligisten auf dem Weg zu seiner ersten Nachhaltigkeitsstrategie begleiten. Ich möchte Menschen für nachhaltige Entwicklung im Sport begeistern und gehe selbst mit viel Herzblut voran. Dazu gehört für mich, gewohnte Prozesse zu hinterfragen und Neues auszuprobieren.

Was verstehen Sie unter Nachhaltigkeit im Sport?
Wer wie der Sport bzw. der Sport und der Fußball mit Fairplay auf dem Platz wirbt, sollte auch dafür Sorge tragen, dass das für alle Beteiligten außerhalb des Platzes gilt – für die Arbeiterinnen und Arbeiter in der Wertschöpfungskette am anderen Ende der Welt, für die folgenden Generationen im Sport und für unseren Planeten!

Seit wann ist Nachhaltigkeit in Ihrem Verein FC Internationale ein Thema?
Der FC Internationale war schon immer mehr als Sport. Seit der Gründung im Jahr 1980 verbindet der Verein Sport und Gesellschaftspolitik, in den Anfangsjahren vor allem in der Friedensbewegung, heute steht der Kampf gegen Rassismus im Vordergrund.
Der Einsatz für eine ganzheitliche Betrachtung der Säulen der Nachhaltigkeit entwickelte sich bottom-up aus dem Verein heraus. Im Spätsommer 2020 traten die damalige Jugendleiterin und ich als ehemaliger Spieler an den Vorstand heran, um auch im Verein noch stärker ökologische Themen der Zeit zu bearbeiten. Daraufhin gründeten wir mit der AG Nachhaltigkeit eine zu Beginn 15 Personen umfassende Gruppe, die Ideen für den nachhaltigen Sportverein der Zukunft entwickelt. Das Engagement wird insbesondere durch junge Menschen vorangetrieben.

Wie setzen Sie das in Ihrem Verein um?
Wir haben uns als erster Amateurverein Deutschlands 2021 auf Nachhaltigkeit zertifizieren lassen und zahlreiche Projekte umgesetzt. Mit mir setzt sich sogar eine hauptamtliche Kraft mit dem Thema auseinander, damit hatten wir anderthalb Jahre mehr designiertes Personal als unser Sportfachverband. Wir haben ein kostenfrei nutzbares Lastenfahrrad als Angebot für die Mitglieder, Mülltrennung, Mehrweggeschirr, zahlreiche Getränke und auch Lebensmittel in Bio-Qualität, Ende des Jahres bekommen wir durch einen erfolgreichen Förderantrag einen e-Minibus für die Auswärtsfahrten. 2023 haben wir unseren ersten Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht, die INTERACTION-Konferenz mit mehr als 70 Teilnehmenden aus Sport, Zivilgesellschaft und Politik auf dem EUREF-Campus ausgerichtet. Die Inter-Arena bezieht Ökostrom und Solarthermie sowie eine Wärmepumpe versorgen das Gelände mit weiterer erneuerbarer Energie. Besonders setze ich mich bei uns für den nachhaltigen Einkauf ein: Unser Fanshop ist auf sozial-ökologisch zertifizierte Ware umgestellt, dafür nehmen wir höhere Preise und einen höheren Rechercheaufwand in Kauf. Dort lässt sich die Expertise meines anderen Jobs gut einbringen.

Eine Frage zur sozialen Nachhaltigkeit (hier gibt es in den Vereinen noch viel Unsicherheit): Wie weit fassen Sie diesen Begriff?
In meiner Wunschvorstellung schaffen Sportvereine Angebote für alle, bieten dabei ein sicheres Umfeld und geben den Mitgliedern gewisse Werte mit. Dass das in hauptsächlich ehrenamtlich getragenen Strukturen neben der Förderung des Sports schwierig zu handhaben ist, verstehe ich ebenfalls. Trotzdem sollten Sportvereine hier gefordert sein und aktiv Unterstützung von außen erhalten. Beim FC Internationale kooperieren wir bspw. mit den Berliner Werkstätten für Menschen mit Behinderung und konnten dadurch schon Unified Veranstaltungen umsetzen. Unsere Website ist mittlerweile mehrsprachig inkl. Leichter Sprache. Beim Aktionsbündnis habe ich dieses Jahr erstmals Mittel für Gebärdenverdolmetschung im Finanzplan, um auch tauben Menschen die Teilnahme an Diskussionsveranstaltungen zu ermöglichen.
Schwierig wird es, wenn soziale Nachhaltigkeit gegeneinander ausgespielt wird. Der fair zertifizierte Pullover ermöglicht Menschen im globalen Süden ein angemessenes Einkommen, trifft aber Mitglieder aus sozial schwächeren Milieus in Deutschland. Schlussendlich heißt das: Unterstützungsbedarf mit bestem Wissen und Gewissen ernst zu nehmen.

Sie sind Ansprechpartner für die Vereine im Netzwerk „Sport handelt Fair“ zu dem wiederum das Aktionsbündnis Fairer Handel Berlin gehört. Worum geht es in beiden Netzwerken?
„Sport handelt Fair“ ist ein Zusammenschluss aus NGOs, Sportvereinen, Verbänden und Kommunen, die sich bundesweit aktiv für die Themen Sport, Fairer Handel und Nachhaltigkeit einsetzen. Das Netzwerk arbeitet in vier AGs innerhalb der Themen Profisport, Amateursport, Bildung und der Bündniskoordination. Das Aktionsbündnis Fairer Handel Berlin wiederum umfasst 50 Akteur*innen aus Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Verwaltung, um global gerechten Handel und nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster in der Hauptstadt zu stärken. Seit dem Haushaltstitel aus dem Jahr 2022 setzt sich das Aktionsbündnis in meiner Person explizit auch für den Sport ein.

Wie können Vereine sich einbringen resp. was haben sie davon …?
im Berliner Netzwerk können Vereine Bündniskateur*innen werden und somit von der Expertise, Sichtbarkeit und gemeinsamen Aktionen rund um den Fairen Handel im und durch Sport profitieren. Zudem findet jede zwei Monate der „Runde Tisch Nachhaltigkeit im Berliner Sport“ statt, bei dem zu verschiedenen Themen diskutiert und zusammengearbeitet wird. Bei „Sport handelt Fair“ erhalten Interessierte ebenfalls die Chance zur Vernetzung und zum gegenseitigen Lernen und Zugang zu best practice sowie spannenden Materialien. Wir nutzen auch die Kraft von Netzwerken, um unsere Position in offenen Briefen an große Sportartikelhersteller oder Sportverbände zu stärken.

Wie informieren Sie über das Thema?
Es kommt auf die Zielgruppe an. Bei Sportvereinen unterstreiche ich immer wieder, dass ein Einsatz für mehr Nachhaltigkeit Hand in Hand mit junger Engagementförderung geht. Bei weniger intrinsisch organisierten Organisationen kann auch das Argument, sich durch nachhaltiges Engagement für neue Sponsoren zu öffnen, fruchten. Trotz meiner eigenen Überzeugung versuche ich, die Beweggründe meines Gegenübers zu verstehen, um nicht belehrend zu wirken. Ich bin dennoch überzeugt, auch mal emotional über Klimafolgen und Anpassung zu sprechen und was das für das Sporttreiben der Zukunft bedeutet. Nur wenn Menschen konkret die Folgen des eigenen (Nicht-)Handelns verstehen und befähigt werden, in ihrem Umfeld konkret etwas nachhaltig zu verändern, findet ein Umdenken statt.

Gibt es Schulungen, Fortbildungen, Workshops, Informationen?
Mit „Sport handelt Fair“ haben wir aktuell erst das Projekt „Natürlich Fußball” abgeschlossen. Dieses umfasste von August 2023 bis Mai 2024 insgesamt 11 digitale Workshops. Das Hauptziel dieses Programms war es, Sportvereine in ihrer Entwicklung hin zu mehr Nachhaltigkeit zu unterstützen und ist deshalb weiterhin digital für alle Interessierten im Videoformat ansehbar (https://sporthandeltfair.com/aktiv-werden/natuerlichfussball/). Darüber hinaus bietet die Homepage weitere Info- und Bildungsmaterialien zur Nachhaltigkeit im Sport. Auch das Aktionsbündnis listet hilfreiche Materialien und Termine auf der eigenen Sportseite (https://www.fairerhandel.berlin/sport/). Termine für den „Runden Tisch Nachhaltigkeit in Berlin“ werden dort regelmäßig veröffentlicht.

Wie können sich aus Ihrer Sicht Verbände wie der BTFB einbringen?
Fachverbände werden gern als Teilnehmende des Runden Tisches gesehen, um offen über aktuelle Herausforderungen, Chancen und Themen zu sprechen. Innerhalb der Strukturen sollten Verbände eine eigene Nachhaltigkeitsstrategie auf den Weg bringen, eine*n designierte*n Nachhaltigkeitsbeauftragte*n benennen und sich Schritt für Schritt mit den drei Säulen der Nachhaltigkeit auseinandersetzen. Sie sollten offen sein für Ideen der (jüngeren) Mitgliederbasis, die Bedürfnisse der verschiedenen Interessengruppen ernst nehmen und trotzdem eine klare Ausrichtung für die Zukunft haben. Niemand ist derzeit perfekt und darin liegt doch meines Erachtens die tolle Möglichkeit, sich mit ganz neuen Konzepten innovativ zu positionieren. Ich würde mir ebenfalls wünschen, dass sportpolitisch mehr Druck zum schnelleren Handeln aufgebaut wird.

Worin bestehen aus Ihrer Sicht die größten Hürden, um sich als Verein/Organisation noch mehr für die Nachhaltigkeit zu engagieren resp. aktiv zu werden?
Die drei größten Hürden sind aus meiner Erfahrung das fehlende Wissen, der zeitliche Aufwand und die finanziellen Bedenken. Viele haben nicht genug Erfahrung bzw. können nicht einschätzen, welche Schritte zuerst gegangen werden müssen oder was genau nachhaltige(re) Verhaltensweisen/Produkte sind. Das ist eng gekoppelt an fehlende zeitliche Ressourcen, die im Tagesgeschäft keine strategische Auseinandersetzung mit dem als übergroß erscheinenden Thema zulassen. Höhere oder zumindest erwartet höhere Kosten sind dann oftmals das Totschlagargument, um nicht aktiv zu werden. Deswegen ist der Aufbau von Hilfsstrukturen wie einer regelmäßig tagenden AG Nachhaltigkeit, die auch für Neu-Engagierte außerhalb des sportlichen Bereichs interessant ist, ein wichtiges Gegenargument. Dort werden Wissen aufgebaut, Aufgaben verteilt und mit etwas Geduld finanzielle Einsparungen sichtbar.

Welche Vorhaben, Veranstaltungen, Highlights stehen in nächster Zeit an?
Mein persönliches Highlight und auch das des FC Internationale ist die Auslieferung im Herbst von „DAS TRIKOT“ (https://www.youtube.com/watch?v=28j8uCbCz5w). Es wird ausschließlich aus Cradle to Cradle zertifizierten Materialien gefertigt und setzt damit neue Standards bei der Materialgesundheit, Kreislauffähigkeit, sowie einer fairen und transparenten Lieferkette mit Produktion in Portugal. Perspektivisch besteht der Anspruch darin, auch andere Vereine zu motivieren, über ihre Sporttextilien nachzudenken und Recyclingmöglichkeiten für aufgetragene Teile zu suchen. Im Idealfall kann man über dieses Projekt auch den Austausch mit Verbänden und ggf. anderen Sportmarken anregen. Nach den zahlreichen Aktionen in 2024 samt der EURO 2024 in Berlin bin ich aber auch froh, wenn ich es in der zweiten Jahreshälfte etwas ruhiger angehen kann. Mal schauen, ob ich die Füße wirklich stillhalten kann…

Bei Fragen zum Verein: anton.klischewski@inter-berlin.de

Bei Fragen zum Aktionsbündnis: anton.klischewski@fairerhandel.berlin

Zum praxisnahen Fairen Einkauf im Berliner Sport: https://www.fairerhandel.berlin/fairer-einkauf-berliner-sport/



Weitere Quellenangaben / Informationen zum Artikel:
Interview: Sonja Schmeißer, Foto: Jennifer Marke