Der Gründungsvorstand des Berliner Turnerbundes (vlnr.): Heinz Andrae, Fritz Darkow, Erich Thierbach, Hans Bodensieg, Erna Krüger, Kurt Böttcher, Erika Schulz

Von der Roten Veranda bis zum Turnzentrum

Ein Artikel von Waltraud Krause, damals Vertreterin für Großvereine, aus der Festschrift des Berliner Turnerbundes zu seinem 50-jährigen Bestehen.

 

Nach dem Zweiten Weltkrieg werden auf Anordnung der Siegermächte erst einmal alle Organisationen verboten, dazu zählen auch Turn- und Sportvereine und deren Verbände. Allmählich beginnt der Sport­ betrieb wieder, jedoch wird es in Berlin lediglich den städtischen Bezirksämtern erlaubt, Sportangebote zu machen. Erst ab 1947 werden wieder vereinzelt Vereine zugelassen.

 

Der Gründungsvorstand des Berliner Turnerbundes (vlnr.): Heinz Andrae, Fritz Darkow, Erich Thierbach, Hans Bodensieg, Erna Krüger, Kurt Böttcher, Erika Schulz

Der Gründungsvorstand des Berliner Turnerbundes (vlnr.): Heinz Andrae, Fritz Darkow, Erich Thierbach, Hans Bodensieg, Erna Krüger, Kurt Böttcher, Erika Schulz

Die in Berlin inzwischen lizenzierten Turnvereine kommen überein, dem Beispiel der anderen Bundesländer zu folgen und sich auf Landesebene zusammenzuschließen und gründen am 8. Januar 1950 in der Roten Veranda der Zoo-Gaststätten den Berliner Turnerbund.

 

Die Geschäftsstelle wird bei dem Vorstandsmitglied Fritz Darkow in Spandau untergebracht und zieht später in die Bismarckallee. Der BTB sieht seine Aufgabe darin, die Vereine beim Wiederaufbau zu unterstützen, indem er die Vorturnerausbildung, die Ausrichtung von Wettkämpfen und die Talentförderung intensiviert.

 

In der Schule am Rupenhorn werden unter der Leitung von Mathilde Abt und Willi Pliquet junge Turner und Turnerinnen aus- und weitergebildet. Wettkämpfe und Veranstaltungen, z.B. das erste Berliner Bundesturnfest im Stadion Neukölln mit 6.000 aktiven Teilnehmern, werden schon im Gründungsjahr durchgeführt. Die Förderung talentierter Turner/innen erfolgt zunächst in den Vereinen, später in der Sporthalle Schöneberg. 1961 verliert der BTB durch den Bau der Mauer viele seiner Vereinsmitglieder und damit auch talentierte Turner/innen. 1966 wird durch die Einstellung des Landeslehrwartes Günter Langrock mit der Förderung des Nachwuchses, der sogenannten Aufbaustufe, begonnen. Hierzu werden an mehreren von den Vereinen genutzten Schulturnhallen Stützpunkte eingerichtet.

 

Nach dem enttäuschenden Abschneiden der bundesdeutschen Olympiamannschaft bei den XIX. Sommerspielen wird 1968 zwischen dem LSB und dem Senat von Berlin ein Programm entwickelt, das die Einrichtung und Verbesserung von Trainings- und Leistungszentren, die beschleunigte Aus- und Weiterbildung von Übungsleitern und die Einstellung von hauptamtlichen Trainern als dringliche Maßnahme vorsieht. Im Rahmen des Senatsprogramms zur Errichtung von Leistungszentren für olympische Sportarten soll der Berliner Turnerbund als einer der ersten Verbände für 2 Mio. DM sein Trainingszentrum erhalten. Als Standort ist das Sportareal in Schöneberg vorgesehen.

 

Im Schöneberger-Friedenauer Lokalanzeiger vom 28. November 1969 war hierüber zu lesen: Maßlose Forderung des Turnerbundes. 1969 löst die Einstellung von Landestrainern zunächst einmal das personelle Problem. Als provisorisches Kunstturn-Trainingszentrum wurde die Doppelturnhalle in der Apostel-Paulus-Straße genutzt. Erst 1971 fällt die endgültige Entscheidung: Das Kunstturn-Trainingszentrum wird am Vorarlberger Damm gebaut.

 

Zunächst ist an den Bau einer Normalturnhalle gedacht worden. Erst nach Hinzuziehung des Sportstätteninstituts der Deutschen Sportschule und Studium der Fachliteratur nahm der Plan, ein Turnzentrum mit stationären Geräten und allen modernen Hilfsmitteln zu bauen, immer mehr Gestalt an.

 

Am 6. Mai 1973 wird in Anwesenheit der Senatorin für Familie, Jugend und Sport, Frau Ilse Reichel, des Präsidenten des Landessportbundes Berlin, Herrn Hans Gleisberg und weiteren 200 Gästen vom Architekten, Herrn Wolfgang Noack, dem Landesvorsitzenden Günter Hein der Schlüssel für das Turnzentrum Berlin übergeben.

 

 

Mit dieser Einrichtung übernimmt der BTB die Verantwortung für das Leistungstraining der Aktiven, insbesondere der Spitzensportler im Kunstturnen, Trampolinturnen und der Wettkampfgymnastik. Der Deutsche Turner-Bund ernennt das Turnzentrum Berlin zum Kunstturn-Stützpunkt Nord. Gleichzeitig zieht die Geschäftsstelle in die neuen Räume ein. Hiermit sind erstmals Trainingsstätte und Verwaltung in einem Gebäude untergebracht.

 

Nach der unvermuteten politischen Wende zeichnen sich 1990 auch im Berliner Leistungssport Veränderungen ab. Die Senatsverwaltung für Sport und der LSB einigen sich, daß in der nun wieder vereinten Stadt jedem Landesverband nur ein Leistungszentrum finanziert werden kann. Als Landesleistungszentrum für den Bereich Kunstturnen entscheidet man sich für das Sportforum in Hohenschönhausen. Ein weiterer Leistungsstützpunkt für die Rhythmische Sportgymnastik wird in der Paul-Heyse-Straße eingerichtet. Lange Zeit bleibt es ungewiß, ob das Turnzentrum am Vorarlberger Damm aus finanziellen Gründen gehalten werden kann. Zunächst können die Kosten noch durch die zwar gekürzten Zuschüsse des LSB und unter finanzieller Beteiligung der dort trainierenden Vereine einigermaßen gedeckt werden, längerfristig gesehen steht jedoch fest, daß das TZ nur zu halten sein wird, wenn die Betriebs- und Verwaltungskosten drastisch gesenkt werden können. Hierzu muß u.a. das 1973 fertiggestellte Gebäude technisch auf den neuesten Stand gebracht werden.

 

Inzwischen trainieren über 300 Kunst- und Gerätturner unserer Mitgliedsvereine im Turnzentrum, und an den Wochenenden finden dort Aus- und Weiterbildungen für Übungsleiter, Trainer und Kampfrichter statt. 1998 wird das Präsidium auf dem Außerordentlichen Turntag beauftragt, die erforderlichen Umbaumaßnahmen einzuleiten. Im Jubiläumsjahr sollen alle Arbeiten abgeschlossen sein.

 



Weitere Quellenangaben / Informationen zum Artikel:
Text: Waltraud Krause (1934 - 2023) für die Festschrift des Berliner Turnerbundes zu seinem 50-jährigen Bestehen im Jahr 2000