Durch das Ehrenamt nicht nur super vorbereitet für ein Vorstandsamt, sondern auch fürs Leben
Zur Person
Wiebke Glischinski (32) ist Wirtschaftsjuristin, gehörte zur BTJ und ist Vorsitzende der Deutschen Turnerjugend (DTJ)
Der Text erschien in der „BewegtBerlin“-Ausgabe 1-2020 (Thema: Lebenslanges Lernen)
Seit Anfang August 2020 lebe ich mit meiner Familie aus beruflichen Gründen in Peking und werde die Zeit weiterhin fürs Ehrenamt nutzen und sicher auch, um etwas Neues zu lernen.
Ich habe das Glück, beruflich und ehrenamtlich in Feldern tätig zu sein, die sich beide inhaltlich stark mit den Themen Personalentwicklung und -führung beschäftigen. Daher kann ich Gelerntes aus dem Job oft auch für das Ehrenamt einsetzen und andersherum Impulse aus der Jugendarbeit mit in mein Arbeitsleben nehmen. Dadurch entsteht eine Art „Lern-Kreislauf“, der sich fast von allein antreibt und mich hoffentlich noch lange lernen lässt.
Die Berliner Turnerjugend ist nicht nur meine sportliche Heimat, sondern auch eine Art „Kinderstube“ für mich gewesen, die mir mein Handwerkszeug im Bereich Sozial- und Methodenkompetenz mitgegeben hat. Ich war seit meinem 13. Lebensjahr Teil eines großen Teams – dem Veranstaltungsteam des BTB (jetzt BTFB) – und habe dort nahezu alles Vorstellbare an Spaß, Konflikten, Herausforderungen und Erfolgen erlebt. Da wächst man nicht nur buchstäblich, sondern auch an sich und seinen Aufgaben.
Als ich dann 18 war, fühlte ich mich nicht nur super vorbereitet für ein Vorstandsamt, sondern auch fürs Leben. Ehrenamt an sich ist eine tolle Schule für das Leben, weil man hier im geschützten Raum Erfahrungen sammeln und sukzessive Verantwortung übernehmen kann.
Während Lernen in der Schule und im Studium oft theoretisch stattfindet (bzw. stattfinden muss), ist ein ehrenamtliches Engagement bei der Tuju wie ein großer Feldversuch, bei dem man seine Fähigkeiten und Fertigkeiten lebensnah einsetzen kann.
Neben dem Ehrenamt hat mich auch meine Studienzeit sehr im Hinblick auf das Lernen geprägt. Durch Seminare und den Austausch mit Kommilitonen – insbesondere aus anderen Studiendisziplinen – habe ich gelernt, dass es wichtig ist, Probleme aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu beleuchten, um gute Entscheidungen zu treffen. Daher finde ich Gremienarbeit auch so spannend: Die Diskussionen in Vorstands- / Ausschusssitzungen enthalten immer die Sichtweise vieler Fachbereiche und erreichen so Multiperspektivität. Dadurch lernt man auch, mal die jeweils andere Brille aufzusetzen.
Mein persönliches Learning stammt aus dem Dritten Engagementbericht, der mitten in der Corona-Zeit vom BMFSFJ (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend) mit dem Schwerpunkt Digitalisierung veröffentlicht wurde: Jugendliche und junge Erwachsene unterscheiden grundsätzlich und bei ihrem Engagement kaum zwischen online und offline. Es geht also gar nicht um ein Entweder-Oder, sondern darum, die analogen Handlungsoptionen sinnvoll zu erweitern. Ich glaube, wir tun gut daran, auf die jungen Engagierten zu hören und zu sehen, wo digitale Formate unsere bisherige Zusammenarbeit stärken kann. Das bedeutet aber auch anzuerkennen, dass ein virtuelles Meeting nicht immer ein persönliches Treffen ersetzen kann und sollte. Für die Aus- und Fortbildung heißt das für mich, dass wir zukünftig mehr „Blended Learning“ brauchen, also Inhalte digital aufbereiten und vermitteln und anschließend im persönlichen Austausch anwenden und vertiefen sollten. Das ist nicht nur attraktiv, sondern birgt auch immense Chancen für die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Ehrenamt.
Was meine persönlichen Lern-Wünsche angeht – ich lerne gern Sprachen, aktuell Chinesisch. Mein Italienisch müsste aber auch mal wieder aufpoliert werden. Und wenn ich ehrlich bin, würde ich gern Programmieren können. Davon verstehe ich aktuell leider noch gar nichts…
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