Meilensteine meiner ehrenamtlichen Laufbahn im Turnen
Martin Hartmann ist Vizepräsident des Deutschen Turner-Bundes und Mitglied des BTFB-Präsidiums; er war langjähriger Vizepräsident und auch Interimspräsident des Verbandes. Seine ehrenamtliche Laufbahn ist zugleich Zeugnis der Entwicklung der Turnjugend- und Turnverbände, vor allem seines Heimatverbandes BTFB. Für die BewegtBerlin-Sonderausgabe „75 Jahre BTFB“ hat er seine persönlichen Meilensteine notiert.
Meilenstein 1: 31. Mai – 7. Juni 1987 Deutsches Turnfest in Berlin
Alles begann mit der Frage meines Abteilungsleiters beim Jugendturnen im TSV Spandau – Wolfgang Elbing -, ob ich mir vorstellen könnte, beim Deutschen Turnfest Spielgeräte auszugeben. Er würde mich fragen, weil ich diese Aufgabe bei unserer letzten Jugendreise nach Oberwarmensteinach sehr gewissenhaft ausgeführt hätte. Ich fand die Aufgabe reizvoll, wusste aber nicht, was ein Deutsches Turnfest ist und worauf ich mich da genau eingelassen habe.
Zur Person

Martin Hartmann ist Vizepräsident des Deutschen Turner-Bundes und Mitglied des BTFB-Präsidiums; er war langjähriger Vizepräsident und auch Interimspräsident des Verbandes.
Es stellte sich dann im Laufe der Vorbereitung heraus, dass ich eine freie Spielfläche in einer der großen Berliner Messehallen um den Funkturm zu betreuen hatte. Hier konnten sich alle Turnfestteilnehmer Spielgeräte (wie Badminton- oder Scoopball-Schläger, Bälle jeglicher Art) gegen einen Pfand ausleihen und auf der Fläche damit spielen. Das Deutsche Turnfest Berlin 1987 war mit 120.000 Teilnehmer das bisher größte und dementsprechend gut waren wir die sieben Tage lang beschäftigt.
Nach dem Turnfest haben wir in der Berliner Turnerjugend ein Helferteam aufgebaut. Mit diesem Team haben wir unzählige BTB-Veranstaltungen mit organisiert und mit durchgeführt und uns regelmäßig in Management- und Organisationsmethoden fortgebildet. Das Erlernte konnte ich in den Folgejahren sowohl im Ehrenamt als auch im Studium und im Job gut anwenden.
Meilenstein 2: Bundesjugendtreffen 1988 in Kiel-Schilksee
Im Jahr nach dem Deutschen Turnfest bin ich als Teilnehmer der Berliner Turnerjugend zum Bundesjugendtreffen der Deutschen Turnerjugend nach Kiel-Schilksee gefahren. Es gab ein tolles Wikinger-Programm mit dem Wikinger-Anführer Odin (Roger Fischbach), wir hatten tolles Wetter, allerdings gab es für die vielen guten Aktionen zu wenig Helfer (so sagte man damals). Wieder hat Wolfgang Elbing die Initiative ergriffen und ein paar andere Jugendliche und mich spontan als Helfer akquiriert. Für mich waren das tolle unvergessliche Tage in Kiel-Schilksee.
Meilenstein 3: Fahnenträger zur Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990
Im September 1990 wurde ich von der Sportjugend Berlin gefragt, ob ich mit vorstellen könnte, bei der Vereinigungsfeier als einer von mehreren Fahnenträgern mit dabei zu sein. Das Ausmaß dieser Aktion konnte ich damals nicht annähernd umreißen, habe aber zugesagt. Nach einem kurzen Auswahlverfahren wurde ich als einer von 14 Fahnenträgern benannt – sieben aus Westdeutschland, sieben aus Ostdeutschland jeweils paritätisch besetzt. Wir wurden von der Bundesrepublik Deutschland in einem Berliner Kaufhaus eingekleidet. Wir hatten mehrere Probeläufe vor dem Reichstag mit der 6x10m großen Deutschlandfahne. Kurz vor Mitternacht am 2. Oktober mussten wir mit der Fahne die Reichstagstreppe zum Fahnenmast herunterschreiten und um Punkt 24 Uhr musste die Fahne oben am Mast wehen.
Dieses Erlebnis ist für mich und sicherlich auch für meine Mitstreiterinnen und Mitstreiter unvergesslich. Die Menschenmassen auf der Reichstagswiese wurden von den Organisatoren massiv unterschätzt. Als die Menge nach den feierlichen Worten der Spitzenpolitiker auf den Reichstag zuströmte, wurde es wirklich brenzlig. Aus Sicherheitsgründen hat uns die Bundespolizei kurzerhand in den Reichstag bugsiert. Das war unser Glück, denn so konnten wir mehr oder weniger ungeplant am Empfang der Bundesregierung zur Einheitsfeier teilnehmen. Neben Fotos mit Spitzenpolitikern konnten wir auch ein Erinnerungsfoto mit Thomas Gottschalk und eines mit Chris de Burgh machen. So gegen 3 Uhr nachts wurden wir von der Bundespolizei nach Hause gefahren und auch frühmorgens wieder abgeholt – wir durften tatsächlich am nächsten Morgen in der Berliner Philharmonie am offiziellen Festakt des Bundespräsidenten zur Deutschen Wiedervereinigung teilnehmen. Auch wenn wir nur wenig Schlaf hatten, aber das Adrenalin hielt uns wach!
Meilenstein 4: 1. Landeskinder- und Jugendturnfest Berlin 1991
Nach der deutschen Wiedervereinigung entstand in der Berliner Turnerjugend die Idee, ein Kinder- und -Jugendturnfest (LaKiJuTuFe) zu organisieren. Als Mitarbeiter im Veranstaltungsteam bin ich auch in die Organisation dieses Landeskinder- und Jugendturnfests hineingekommen. Mir wurde die Aufgabe des Quartiersmanagements für das Turnfest übertragen. Das heißt ich war ehrenamtlich verantwortlich für die Unterbringung und Verpflegung der Turnfestteilnehmer in 12 Berliner Schulen. Für jede dieser Schulen musste ein Schulverantwortlicher und ein Betreuungsteam gefunden werden. Neben vielen Ehrenamtlichen aus den Berliner Turn- und Sportvereinen habe ich meinen kompletten Freundeskreis eingebunden – dass war das gemeinsam gewuppt haben, beeindruckt mich heute noch. Während des Turnfests sind wir mit dem BTB-Bus täglich alle Schulen abgefahren, um alles Mögliche zu organisieren. Ich hatte zu dieser Zeit noch keinen Führerschein, habe mich also von einem meiner besten Freunde fahren lassen.
Für den Berliner Turner-Bund war das LaKiJuTuFe ein finanzielles Desaster mit einem Umbruch in der Verbandsführung. Ich selbst habe während der Vorbereitung und in den fünf Tagen des Turnfests extrem viel lernen können.
Meilenstein 5: Der große Rad(t)schlag 29.11. – 01.12.1991 in Hamburg
In Vorbereitung des Deutschen Turnfestes in Hamburg hatte die Deutsche Turnerjugend zum großen Rad(t)schlag – einem Vorbereitungstreffen für das Jugendprogramm – eingeladen. In mehreren Workshopgruppen konnten wir kreative Ideen für das Jugendprogramm entwickeln. In diesen Workshops sind die groben Programmpunkte u.a. der Jugendhalle in der Hamburger Messe entwickelt worden. Vieles – wenn auch nicht alles – wurde später tatsächlich umgesetzt. Unabhängig vom Deutschen Turnfest hat dieses Wochenende für mich eine ganz besondere Bedeutung. An diesem Wochenende habe ich Nicole – meine heutige Ehefrau – kennengelernt. Sie war mit einer Gruppe der Westfälischen Turnerjugend in Hamburg und wir haben vom ersten Tag unseres Kennenlernens an gut und hitzig diskutiert – wie heute!
Meilenstein 6: Wahl zum Vorsitzenden der Berliner Turnerjugend (1993)
Nach zwei Jahren als Beisitzer im Vorstand der Berliner Turnerjugend wurde ich 1993 zum Vorsitzenden der Berliner Turnerjugend gewählt. Damit wurde ich auch zum Mitglied im BTB-Präsidium unter dem Vorsitzenden Peter Hanisch. Wir waren im BTJ-Vorstand ein tolles Team und haben so einiges bewegen können. Im Jahr 1993 haben wir die geniale Idee von Michael Grabitz für einen Showgruppenwettbewerb – damals den Tuju-Oskar – erstmalig umgesetzt. Der mittlerweile in Tuju-Stars umbenannte Wettbewerb findet weiterhin jährlich in Berlin, aber auch bundesweit statt.
Meilenstein 7: Welt-Gymnaestrada Berlin 1995
Durch eine Absage eines anderen Landes fiel dem BTB im Jahr 1993 kurzfristig die Organisation der 10. Welt-Gymnaestrada zu. Uns blieben nur knapp 2 Jahre Vorbereitungszeit für die weltweit größte Festival des Breitensports mit knapp 20.000 Teilnehmern aus mehr als 30 Ländern. Diesmal war ich für das Rahmenprogramm ehrenamtlich verantwortlich. Gemeinsam mit dem Ausschuss und den Mitarbeitern der Geschäftsstelle haben wir mehrere Rahmenprogrammhallen in der Berliner Messe bespielt und dabei den Berliner Sportverbänden die Möglichkeit geboten, ihre Sportart zu präsentieren. In Halle 14 gab es ein Blindencafé und in der Innenstadt haben wir mehrere Mitmachstationen auch für die Berliner Bevölkerung angeboten.
Meilenstein 8: Wahl in den DTJ-Vorstand (DTJ-Vollversammlung 1996 in München)
Im Jahr 1996 wurde ich dann in der Vollversammlung der Deutschen Turnerjugend (DTJ) als Beauftragter für Finanzen in den DTJ-Vorstand gewählt. Damit einhergehend war auch die Mitgliedschaft im Finanz- und Verwaltungsrat des DTB verbunden. Ein Gremium, in welches ich zu einem späteren erneut hineingewählt würde. Nachdem der DTJ-Vorsitzende überraschend nicht mehr zur Wiederwahl angetreten war, wurde ich zwei Jahre später – im März 1998 – in Halle/Saale zum DTJ-Vorsitzenden (Bundesjugendwart) gewählt. Mit diesem Amt war auch die Mitgliedschaft im Präsidium des Deutschen Turner-Bundes verbunden. In meiner Amtszeit haben wir u.a. das DTB-Programm Kinderturnen mit den Kinderturnclubs als Qualitätssiegel auf den Weg gebracht und die Deutsche Turnerjugend mit der Domain tuju.de sehr früh im Internet etabliert.
Auch das nächste Deutsche Turnfest im Jahr 1998 in München galt es vorzubereiten. Diesmal konnte ich als Vertreter der Deutschen Turnerjugend das Jugendprogramm für das Turnfest in München mitgestalten und dann auch erstmalig als DTB-Präsidiumsmitglied miterleben. Im Jahr 2002 habe ich mich bei der DTJ-Vollversammlung nicht mehr zur Wahl gestellt und wurde dort offiziell verabschiedet. Die Organisation des Rahmenprogramms (einschl. des Jugendprogramms) für das erste Internationalen Deutsche Turnfest 2005 in Berlin habe ich als kooptiertes Mitglied im DTJ-Vorstand weitergeführt. Für mich völlig überraschend wurde mir in der DTJ-Vollversammlung in Bremen im Jahr 2006 als erstem Preisträger der neu geschaffene Dr. Harald Eimermacher-Preis verliehen – die höchste Ehrung der Deutschen Turnerjugend.
Meilenstein 9: Wahl zum Vizepräsidenten im BTB/BTFB im Jahr 2009
Nach einer knapp vierjährigen ehrenamtlichen Pause wurde ich vom Präsidenten des Berliner Turner-Bundes – Frank Ebel – gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, mich als Vizepräsident des BTFB zur Wahl zu stellen. Ich wurde dann beim Landesturntag 2009 als Vizepräsident Finanzen gewählt. In demselben Jahr schlug mich Frank Ebel als Vertreter der Landesturnverbände für den Finanz- und Verwaltungsrat des Deutschen Turner-Bundes vor. Damit war ich innerhalb eines Jahres wieder im BTFB und auch im DTB ehrenamtlich aktiv. Die Arbeit im BTFB-Präsidium war geprägt von der Strategie die Berliner Bevölkerung für das Sporttreiben im Verein weiter zu sensibilisieren und neue Mitglieder für die Berliner Turnvereine zu gewinnen. Dieser Strategie folgend wurden verschiedene berlinweite Aktionen gestartet, wie bspw. die Durchführung von Familiensportmessen, die Aktion „Fitteste Grundschulklasse“ und die Etablierung der Kinderturnsonntage. Im Jahr 2015 wagten wir den Umzug des jährlich stattfindenden „Feuerwerks der Turnkunst“ von der Max-Schmeling-Halle in die Mercedes-Benz-Arena. Dies war für unseren Verband wirtschaftlich ein gewagter Schritt, der sich aber mit regelmäßig gut ausverkauften Veranstaltungen am Jahresanfang bewährt hat.
Meilenstein 10: Interimspräsident im BTFB (Sept. 2015 – Nov. 2016)
Als BFTB-Präsident Frank Ebel am 3. September 2015 plötzlich und unerwartet verstarb, beauftragte mich das BTFB-Präsidium das Präsidentenamt interimsweise bis zur Neuwahl eines Präsidenten/einer Präsidentin zu übernehmen. Gemeinsam im Präsidium haben wir die organisatorischen und repräsentativen Aufgaben mit Unterstützung unseres Ehrenpräsidenten Peter Hanisch trotz aller Herausforderungen gut gemeistert. Im auf den Herbst verlegten Landesturntag 2016 wurde dann Sophie Lehsnau zur ersten BTFB-Präsidentin gewählt. Das nächste Großereignis stand zu dieser Zeit ebenso an: Das Internationale Deutsche Turnfest Berlin 2017. Für den Berliner Turn- und Freizeitsport-Bund war ich Mitglied im Turnfestpräsidium und damit lag für mich nach dem Turntag der Fokus auf der der Vorbereitung und Durchführung des Turnfestes. Neben dem Ziel, ein tolles Turnfest für unsere angereisten Gäste zu organisieren, war unser und das Anliegen des Berliner Senats, dass das Turnfest auch ein Turnfest für die Berlinerinnen und Berliner wird. Mit der Ausgestaltung des lokalen Turnfestprogramms „Berlin turnt bunt“ haben wir Maßstäbe für künftige Turnfeste aber auch für zukünftige Berliner Großsportevents setzen können.
Meilenstein 11: Wahl zum DTB-Vizepräsidenten 2017
Nach dem Turnfest wurde ich im Herbst 2017 im Badischen Bruchsal als Vizepräsident in das Präsidium des Deutschen Turner-Bundes gewählt. Viele Höhen und Tiefen habe ich in dieser Funktion seitdem erleben dürfen. Die Corona-Pandemie und die damit verbundene Absage des Internationalen Deutschen Turnfests 2021 in Leipzig gehören auf jeden Fall zu den Tiefpunkten. Die Entwicklung der Strategie 2030 und die im Jahr 2023 vom Deutschen Turntag beschlossene Organisations- und Satzungsänderung mit der Etablierung eines hauptberuflichen Vorstands und einer Modernisierung der Satzung gehörten eher zu den Höhepunkten.
Externe Links zum Artikel:
» Podcast "Der Sinn der Übung" mit Martin Hartmann
Weitere Quellenangaben / Informationen zum Artikel:
Foto: Juri Reetz