Was bedeuten Olympische Spiele für Sie, Brigitta Sandow?

Brigitta Sandow (Foto: Juri Reetz)
Brigitta Sandow, geb. Lehmann, Kunstturnerin von 1976 bis 1985, damals im OSC, Olympia-Teilnahme, 17-jährig, 1984 in Los Angeles, 4. mit der Mannschaft (BRD), 6. im Sprungfinale; Trainerin; BTFB: TK-Vorsitzende Mehrkämpfe und Guppenwettkämpfe; Familie: verheiratet mit Christian Sandow, ehemaliger Moderner Fünfkämpfer, zwei Kinder, vier Enkelkinder
Brigitta Sandow äußert sich in BewegtBerlin, Ausgabe 3-2024.
Olympische Spiele sind das größte Ereignis für einen Sportler, das höchste Ziel, was man erreichen kann. Es ist ein Traum, dabei zu sein. Ich habe an meine Teilnahme nur schöne Erinnerungen, unvergessliche Erlebnisse. Vieles kann man gar nicht in Worte fassen, das muss man miterlebt haben – diese Begegnungen mit so vielen Menschen, Sportlern aus anderen Nationen, diese Weltoffenheit … Die schönsten Momente erlebte ich bei der Eröffnungs- und der Abschlussfeier. Unvergleichlich der Einmarsch der Nationen, wir Turnerinnen waren in unserer Delegation in der ersten Reihe – das vergisst man nie.
Die Amerikaner sind ja turnverrückt, der Sport ist dort total gut angesehen. Und wir waren mit den USA-Turnerinnen in einer Riege … Da war so eine Mega-Stimmung in der Halle, die Zuschauer waren unheimlich begeistert – und sehr laut… Wir haben kaum irgendeine Ansage verstanden. Und auch außerhalb der Halle wurde man angesprochen: Sie sind doch Turnerin…? Da hab‘ ich dann irgendwann gesagt, um meine Ruhe zu haben – nee, ich spiele Basketball…! Schon verrückt. Und schön.
Naja, für mich haben die Spiele in LA noch eine ganz andere Bedeutung, verbunden mit weiteren sehr schönen Erinnerungen: Ich habe dort meinen Mann kennengelernt! Er war Moderner Fünfkämpfer, Christian Sandow. Das ist jetzt 40 Jahre her und für uns ein Jubiläum. In vier Jahren sind wieder Olympische Spiele in Los Angeles, da möchten wir zusammen hinfahren. Unsere Tochter heißt Philina Olympia…
Ich trage meine Olympiateilnahme nicht vor mir her, und so wissen vor allen die jüngeren Kinder, die ich sportlich betreue, nichts davon. Die, die es wissen, finden es toll.
Was ich meinen Schützlingen als Trainerin generell an sportlichen bzw. olympischen Werten mitgeben möchte: Das Miteinander fördern und füreinander da sein, Toleranz und Weltoffenheit. Den Teamgeist entwickeln und fördern, sich in Wettkämpfen fair miteinander messen, Zielstrebigkeit und Durchhaltevermögen.
Was „Jugend trainiert für Olympia“ angeht, so hat das ja aus sportlicher Sicht nie einen unmittelbaren Zusammenhang mit den Anforderungen für eine Olympia-Teilnahme gehabt. Ich finde den Wettbewerb trotzdem wichtig für die Schulen. Ich habe damals auch mit dem Gymnasium teilgenommen und wurde Bundessieger. Ich denke, die Kinder werden vielleicht ein bisschen inspiriert für den Wettkampfsport.
Ob unser großer Kindermehrkampftag auch etwas mit der Olympischen Idee zu tun hat? Ja, im Sinne von „Dabei sein ist alles“. Beim Kindermehrkampftag Ende Juni waren wieder 250 Kinder dabei. Die Vielfältigkeit der Sportarten und Disziplinen ist eine Herausforderung, es ist ein ganz besonderer Wettkampf für alle Beteiligten, der großen Spaß macht.
Die Entwicklung der Olympischen Spiele sehe ich mit gemischten Gefühlen. Es gibt viele Veränderungen, viele Neuerungen, neue Sportarten. Ich finde es schade, dass die Sportler nur noch so kurz vor Ort sind, gleich wieder zurückmüssen, wenn ihre Wettkämpe beendet sind. Wir waren 14 Tage vor Ort, heute haben sie kaum Zeit, etwas zu sehen. Es ist doch im olympischen Sinn, dass alle Sportler sich dort auch treffen können und die Gastgeber kennenlernen.
Eine Berliner Olympia-Bewerbung fände ich toll, da bin ich sehr dafür.
Bei den Spielen in Paris bin ich nicht vor Ort, werde mir aber natürlich vieles im Fernsehen anschauen. Zuerst die Eröffnung, das ist immer das Größte! Dann natürlich die Wettkämpfe im Turnen und auch die Sportarten, die man sonst nicht in den Medien zu sehen bekommt.
Unseren Athletinnen und Athleten wünsche ich sehr viel Erfolg. Ich wünsche ihnen, dass sie ihre Übungen fehlerfrei zeigen können, dass sie abrufen können, was sie trainiert haben. Es ist sehr traurig, dass die deutschen Frauen sich nicht mit der Mannschaft qualifiziert haben. So ist schwer vorherzusehen, was an Ergebnissen möglich ist. Aber ich wünsche allen ganz viele neue Eindrücke, die dieses tolle Erlebnis Olympia für ihr Leben unvergesslich machen.
Weitere Quellenangaben / Informationen zum Artikel:
Die Fragen stellte: Sonja Schmeißer | Foto: Juri Reetz