Was bedeuten Olympische Spiele für Sie, Roland Brückner?

Roland Brückner (Foto: Michael Kröhn/TSV Süßen)
Roland Brückner (68), Turnen, Berlin, Olympiasieger am Boden 1980 in Moskau; drei weitere Medaillen bei OS 1976/1980; Diplomsportlehrer und Turntrainer im Ruhestand, ehrenamtlicher Trainer beim TSV Süßen
Roland Brückner äußert sich in BewegtBerlin, Ausgabe 3-2024.
Olympische Spiele sind das höchste Ziel, welches man als Sportler erreichen kann. Sie finden nur alle vier Jahre statt. Wie viele andere Sportler habe auch ich meine sportliche und persönliche Planung nach diesem Rhythmus ausgerichtet. Im Kunstturnen ist es so, dass die Weltmeisterschaften Qualifizierungsstatus für die Olympischen Spiele besitzen, vor allem, was die Mannschaftsteilnahme betrifft. Nach den Olympischen Spielen werden in der Folge die Wertungsvorschriften leicht geändert, um sie an die gewünschte Entwicklung bis zu den nächsten Olympischen Spielen anzupassen. Ebenso empfinde ich die Olympischen Spiele mit ihrer olympischen Idee auch als moralische Grundlage für alle Sportarten.
Für mich war es schon unvergesslich, sich für Olympische Spiele zu qualifizieren und ein Teil einer großen Mannschaft zu sein. Man ist auch mit Sportlern aus anderen Sportarten in einem großen Team, die man teilweise nur aus dem Fernsehen und der Presse kennt. Man fiebert mit ihnen und bekommt auch von ihnen Interesse und Wünsche mit. Im olympischen Dorf erkennt man dann auch viele internationale Spitzensportler. Ebenso spürt man ein viel größeres Medieninteresse und viel mehr Beachtung als sonst. Nicht zuletzt ist es auch die Atmosphäre der Olympiastädte (damals Montreal und Moskau), die dieses sportliche Großereignis, nicht nur für die Teilnehmer, zu einem unvergesslichen Erlebnis gemacht haben.
Der schönste oder unvergessliche Moment war sicherlich der Gewinn der Goldmedaille am Boden 1980. Damals bin ich mit dem zweitbesten Vorwert (der damals noch mit einbezogen wurde), ins Finale gestartet. Mit einer gelungenen Bodenübung konnte ich dann den besten Endwert erreichen. In diesem Hochgefühl, mit dem Olympiasieg meine sportlichen Ziele und Wünsche erreicht zu haben, konnte ich mich unbeschwert auch an den weiteren Finalgeräten (gegenüber dem Vorwert) verbessern. Mit zwei Bronzemedaillen (Sprung und Barren), zweimal einem vierten Rang (Pferd und Ringe) und der Silbermedaille in der Teamwertung konnte ich ein nicht für möglich gehaltenes Ergebnis erzielen. Die vielen Telegramme, Glückwunschschreiben und Autogrammwünsche aus der Heimat und aus aller Welt sind bis heute unvergesslich. Es gibt sogar bis heute noch Anfragen für Autogramme.
Sowohl in Montreal 1976 als auch in Moskau 1980 waren die Zuschauerränge voll belegt (und dies selbst bei den nicht ganz so interessanten Pflichtübungen, die es damals noch gab). Man spürte die besondere Atmosphäre, die nicht nur die Sportler, sondern auch die Zuschauer erfasst hatte. Nach meinem Gefühl war das Publikum beim Turnen noch begeisterter, euphorischer und lauter als bei anderen Wettkämpfen.
Wie die Spiele im heutigen Beruf nachwirken? Ich nehme für mich in Anspruch, die turnerische Entwicklung von den Anfängen bis zum leistungssportlichen Erfolg erlebt zu haben und bewerten zu können. In diesem Sinne ist es für bewegungsinteressierte Kinder gar nicht wichtig, sich zunächst nationale oder gar internationale Erfolge vorzunehmen. Im Gegenteil ist es erst einmal wichtig, aus Interesse auch Begeisterung zu entwickeln. Später lernt man dann auch, sich im Wettbewerb zu vergleichen, Ergebnisse zu respektieren und sich fair zu verhalten. Besonders talentierten Kindern versuchen wir im Verein (auch in Zusammenarbeit mit dem Leistungszentrum in Stuttgart) eine weitere leistungssportliche Entwicklung zu ermöglichen.
Die sportlichen Grundwerte, sich in einem friedlichen und fairen Wettstreit zu messen, die Regeln (der jeweiligen Sportart) zu achten und dem sportlichen Gegner mit Respekt zu begegnen, zählen heute genauso zur olympischen Bewegung wie in der Vergangenheit. Diese olympische Idee ist gerade in einer sich polarisierenden Weltlage aktueller denn je.
Die olympische Idee ist mir immer ein großes Anliegen gewesen. Nicht nur, um sie selbst zu leben, sondern sie auch weiterzuvermitteln. Bei sportlichen Wettbewerben sollten politische Auseinandersetzungen und Botschaften außen vor bleiben. Dies würde Gegenbotschaften nach sich ziehen und zu einer Spirale führen.
Dem großen Interesse vieler Sportarten, in das olympische Programm aufgenommen zu werden, sollte das IOC nur behutsam entgegenkommen. Das Programm ist mittlerweile schon sehr anspruchsvoll.
Olympische Spiele in Berlin sind das Beste, was Berlin und Deutschland passieren kann. Aber möglichst 2040 und nicht 2036, weil Berlin ´36 immer hässliche Assoziationen hervorbringen würde. Es würde eine gemeinsame Aufgabe geben, die alle begeistern könnte und die ein immer noch gefühlt gespaltenes Land zusammenführen kann. Auch dafür wäre Berlin der beste Standort. Olympische Spiele in Berlin würden auch der Unterstützung des Leistungssports zugutekommen. Ich wünsche mir, dass es eine politische Kraft und Persönlichkeiten gibt, die in diesem Projekt das Potential und die Chancen erkennen. Dazu gehört auch die Fähigkeit, alle Interessenten zu aktivieren und auch seriöse Bedenkenträger mit einzubeziehen.
Weitere Quellenangaben / Informationen zum Artikel:
Die Fragen stellte: Gritt Ockert | Foto: Michael Kröhn/TSV Süßen