Die Partizipation immer im Blick behalten

Interview vom 3. Oktober 2024 mit Prof. Dr. Ulrike Buchholz für die Ausgabe BewegtBerlin, 5-2024, zum Thema „Kommunikation“. 

Prof. Ulrike BuchholzZur Person

Prof. Dr. Ulrike Buchholz ist Professorin für Unternehmenskommunikation im Ruhestand an der Hochschule Hannover. Ihre fachlichen Schwerpunkte sind Interne Unternehmenskommunikation, Führungskommunikation und Change-Management.  Von 1996 bis zur Berufung im Jahr 2001 leitete sie die weltweite Interne Kommunikation der Infineon Technologies AG, München. Dort befasste sie sich insbesondere mit der unternehmensweiten Kommunikation während des Spin-Offs aus der Siemens AG und mit der anschließenden Etablierung der internen Unternehmenskommunikation im Unternehmen. Davor arbeitete sie in der Unternehmenskommunikation der Siemens AG und war mitverantwortlich für Projekte vor allem im Bereich der Führungskräftekommunikation und des Change-Managements.

Buchholz studierte Sprachwissenschaft an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Zu ihren zahlreichen Büchern und Fachbeiträgen zählen Titel wie „Führen durch Sprache“, „Interne Unternehmenskommunikation als Profession“, „Interne Kommunikation und Unternehmensführung“, „Interne Kommunikation in agilen Unternehmen“ oder „Werte und Metaphern in der Unternehmenskommunikation“.

 

Frau Prof. Buchholz, Sie beschäftigen sich seit vielen Jahren aus wissenschaftlicher Sicht mit dem Thema – wie definieren Sie „interne Kommunikation“?

Im Allgemeinen werden unter interner Kommunikation alle formellen und informellen kommunikativen Prozesse zwischen den Mitgliedern einer Organisation verstanden. Die Betrachtung der Disziplin als Profession zielt jedoch erklärtermaßen auf die strategische Steuerung dieser Kommunikationsprozesse sowie auf deren Inhalte ab. So dient sie also primär als Hebel zur Erreichung der ökonomischen Ziele ihrer Organisation und muss zu diesem Zweck auch die Anforderungen der Partizipation aller Mitarbeitenden im Blick haben. Interne Kommunikation soll mithin Vertrauen in die Glaubwürdigkeit der Leitung schaffen oder festigen, um die Leistungskraft der Mitarbeitenden zu mobilisieren. Dazu ist es notwendig, ihnen eine grundsätzliche Orientierung zu ermöglichen, welche ihnen die Integration in das Unternehmensgeschehen und seine Kultur erleichtert und ihre Loyalität erhält. Die Hebel zum Erreichen dieser Ziele sind Information, Identifikation und Motivation.

 

Allgemein spricht man davon, dass deren Bedeutung in Unternehmen und Organisationen zunimmt. Ist das so und wenn ja, warum?

Ja, das sehe ich auch so. Denn es wird ihrer Disziplin nicht zu Unrecht inzwischen eine maßgebliche Rolle bei der Bewältigung von komplexen unternehmerischen Herausforderungen zugeschrieben. Letztlich sind es doch die Menschen in der Organisation, die diese Herausforderungen meistern müssen – auch bei aller optionalen Unterstützung durch eine künstliche Intelligenz. Deswegen ist es wichtig, dass die Mitarbeitenden den Nutzen und den Zweck der organisationalen Tätigkeiten sowie ihren eigenen Beitrag dazu verstehen können, was besonders in komplexen und mehrdeutigen Organisationsumwelten nicht einfach so zustande kommt. Das ist eine Aufgabe der Internen Kommunikation.

 

Wie gewichten Sie in der internen Kommunikation die Inhalte (und deren Qualität), die Wahl der Kanäle/ Kommunikationsmittel, die Kommunikationskultur (das Wie) und die Feedbackkultur?

Ich finde, die Wahl der Kanäle bzw. der Kommunikationsmittel darf nicht für sich stehen oder primär aufgrund eines Trends bzw. im Hinblick auf (technische) Machbarkeit erfolgen. Sie sollte immer davon abhängen, welche Inhalte man an wen vermitteln will. Erst Content (worüber soll in der Organisation gesprochen werden?), dann die Zielgruppe (wo und wie will sie diese Informationen erhalten?) und erst dann die Wahl des passenden Weges bzw. des geeigneten Instruments.

Grundsätzlich glaube ich, dass es in unserem modernen Kommunikationsverhalten besser ist, Informationen zum einfachen Rezipieren oder für eine Diskussion, also Interaktion, so bereitzustellen, dass die Mitarbeitenden sie sich selbständig aneignen können. Dazu müssen diese Informationen oder Diskussionsmöglichkeiten natürlich angemessen aufbereitet und leicht abrufbar sein. Und da kommt die Kommunikationskultur ins Spiel. Das klappt nämlich nur, wenn die Entscheider und Entscheiderinnen mit dieser Art der Informationsaufbereitung und -vermittlung einverstanden sind, denn man gibt auf diese Weise ja durchaus ein Stück Kontrolle ab. Im Sinne der Partizipation, die ich weiter vorne schon angesprochen habe, ist das aber unabdingbar. Ebenso gehören systematisierte Feedbackkanäle dazu und vor allem die Bereitschaft der Leitung, sich damit aktiv auseinanderzusetzen.

 

Es geht um Information, Motivation, Einbindung – wie erreicht man, dass das keine Einbahnstraße von der Unternehmensführung zu den Mitarbeitenden bleibt, sondern wirklich Kommunikation auf Augenhöhe stattfindet?

Zunächst sollte die Unternehmensführung die Mitarbeitenden und ihren Bedarf an Informationen und Austauschmöglichkeiten, also Fragen stellen und diskutieren zu können, ernst nehmen und wertschätzend aufgreifen. Das heißt insbesondere, Augenhöhe glaubwürdig herstellen, indem entsprechende Angebote „von oben“ gemacht werden (etwa Kamingespräche, Walking-Around etc.). Es ist wichtig zu zeigen, dass man es ernst meint mit der Meinungsvielfalt, auch wenn es vielleicht anfangs noch auf wenig Resonanz stößt, vor allem wenn die Mitarbeitenden so etwas nicht gewohnt sind und noch misstrauisch sind.

 

Ein weiterer Weg, eine Einbahnstraße zu vermeiden, ist die Förderung interner Netzwerke bzw. Communities. Wo sich gegenseitig ausgetauscht werden kann, gibt es auch mehr Bereitschaft, sich z.B. mit der Leitung zu verständigen. Denn man hat sich in der Diskussion mit Gleichgesinnten schon einmal eine Meinung bilden können (oder auch, wenn man einfach mal in einer solchen Community still mithören kann).

 

Immer wichtiger auch: Als Mitarbeitende erleben können, wie ihre Unternehmensführung zu gesellschaftspolitischen Themen Haltung zeigt. Das kann in einem internen Blog geschehen oder indem die Leitung in geeigneten sozialen Netzwerken postet, wo die Mitarbeitenden sie erleben und sie „liken“ können. Die Studie „Next Communication“ hat 2022 festgestellt, dass die in Sachen Loyalität und Partizipationswille entscheidende Frage für die Mitarbeitenden ist, ob sie stolz darauf sein können, wie ihr Unternehmen sich darstellt. Insbesondere ist es ausschlaggebend, dass sie sich mit dem, was der CEO nach außen sagt, identifizieren können. Wenn das bejaht werden kann, wird auch die Bereitschaft steigen, sich aktiv in die internen Diskussionen einzubringen und letztlich mehr am Organisationsgeschehen partizipieren zu wollen.

 

Welche Auswirkungen hat die Digitalisierung auf die interne Kommunikation?

Zum einen werden die Kommunikationsflüsse schneller und unmittelbarer. Kommuniziert wird quasi in Echtzeit. Das ist eine Herausforderung für die Verantwortlichen der internen Kommunikation, denen oft wenig Zeit bleibt für die üblichen Abstimmungsrunden. Auch hier wird der Wunsch nach Kontrolle (meist seitens der Leitung) wohl mehr und mehr zurückgefahren werden müssen. Denn die Echtzeit-Kommunikation ist mindestens im privaten Alltag der Mitarbeitenden Normalität. Das wird auch zunehmend in den Organisationen erwartet werden.

 

Zum anderen erlaubt die Digitalisierung aber auch, Informationen sofort mit großer Reichweite zugänglich zu machen. Es ist in diesem Zusammenhang jedoch auch erforderlich, der Schnelligkeit und Kurzlebigkeit von Informationen etwas Gehaltvolleres entgegenzusetzen. Für mich bleibt die Mitarbeiterzeitung z.B. ein Instrument der Wahl, wenn es darum geht, Hintergrundinformationen bereitzustellen oder Meinungsvielfalt zu einem Thema zum Ausdruck zu bringen. Damit sind Informationspakete gemeint, mit denen sich die Mitarbeitenden mehr in Ruhe befassen können.

 

Außerdem erfordern die in der nächsten Frage angesprochenen digitalen Meetings auch für die interne Kommunikation ein angepasstes Vorgehen. Es sollte sozusagen Nähe in der Distanz hergestellt werden können. Das beinhaltet mehr Möglichkeiten für Mitarbeitende, unmittelbar an das Unternehmensgeschehen andocken zu können. In erster Linie ist das eine Aufgabe der Führungskräfte, die sich auch und gerade über die Distanz als nahbar erweisen müssen. Aber auch die Interne Kommunikation sollte gezielt wichtige oder relevante Informationen so aufbereiten, dass sie von überall her leicht abrufbar und verwertbar sind.

 

Vieles läuft heute über digitale Meetings. Aber sind nicht das persönliche Gespräch, der Austausch miteinander vor Ort, das gemeinsame Brainstorming letztlich unersetzlich für eine effiziente und wertschätzende Kommunikation?

Ja, in der Tat. Da kann ich nur zustimmen. Digitale Meetings haben ihren Sinn, wenn es um den raschen Austausch über Zusammenhänge oder die Verständigung über Arbeitsabläufe o.ä. geht. Da, wo nicht viel miteinander nachgedacht werden muss, sondern anstehende Aktionen im Vordergrund stehen. Wenn es aber darum geht, die anderen zu verstehen, wenn eine Sachlage erörtert werden muss, wenn unterschiedliche Meinungen diese Sachlage beleuchten sollen, ist der digitale Kanal nicht reichhaltig genug. In den Zeiten der Covid-Pandemie war es nicht anders möglich und es hat sich ja auch gezeigt, dass es geht. Aber wenn man den „ganzen“ Menschen in der Interaktion wahrnehmen kann mit allem, was er nicht nur verbal zum Ausdruck bringt, ist er und seine Position besser einzuordnen und zu bewerten. Das nimmt Unsicherheit und führt zu mehr „Augenhöhe“. Und das wiederum ist ein Aspekt der Wertschätzung.

 

Wie wichtig ist aus Ihrer Sicht das „Wie“ der Kommunikation (wie man in den Wald hineinruft…)? Welche Rolle spielen in der internen Kommunikation Werte wie Wertschätzung, Respekt und Empathie?

Wir sehen doch täglich in den Medien, was passiert, wenn die genannten Werte nicht berücksichtigt werden. Sie sind meiner Meinung nach grundsätzlich im gesellschaftlichen Miteinander essenziell und damit auch im organisationalen Miteinander, egal in welchem Bereich. Da wo Menschen aufeinandertreffen und kommunizieren, sollten Werte wie Wertschätzung, Respekt und Empathie jederzeit aktiviert sein.

 

Sie haben grade Ihr Buch „Führen durch Sprache“ veröffentlicht, in dem es um sprachbewusstes Kommunikationsmanagement geht. Hat diese Gewichtung auf die Sprache auch mit der zunehmenden Verkürzung von Sprachbotschaften durch die Sozialen Medien in der Alltags- und Unternehmenskommunikation zu tun?

Nein, das hat gar nichts damit zu tun. Anlass der Betrachtung ist die zunehmende Komplexität und Ungewissheit in der Unternehmensumwelt, die eine Steigerung der Perspektivenvielfalt in Unternehmen nach sich zieht, um Zusammenhänge besser verstehen und für unternehmerisches Handeln besser bewerten zu können.

 

Worum geht es in Ihrem Buch, was kann Sprache in diesem Kontext bewirken?

Ich beleuchte in meinem Buch die für Entscheidungen und Veränderungen bedeutsamen Wissens- und Verstehensprozesse. Dazu befasse ich mich mit der Kognitionswissenschaft, insbesondere mit der sprachwissenschaftlichen Seite. Sprache, so stellt sich heraus, kategorisiert die Welt und verleiht ihr Sinn. Sie ist kein Spiegel der Wirklichkeit, sondern weist immer nur eine Perspektive darauf aus, die kulturell geprägt ist. Jeder Mensch erkennt zunächst einmal nur das, was ihm über seine Sprache bewusstwird, und zwar so, wie sie es ausgestaltet. Die Perspektive zu wechseln, erfordert quasi ein Verlassen seiner eigenen sprachlich gestalteten Welt. Ich versuche, die vielfältigen Zusammenhänge und ihre Auswirkungen auf unternehmerisches Entscheiden und Handeln zu erklären und zeige Wege auf, wie man sie für die Anwendung im Management nutzbar machen kann.



Weitere Quellenangaben / Informationen zum Artikel:
Foto: privat | Das Interview führte Sonja Schmeißer.