Die Kooperations-DanceCrew „Tanzperium“

Ausführliche Fassung des Textes aus dem Magazin BewegtBerlin, Nr. 4 (Juli/August 2024)

 

Das Bild zeigt eine Tanzgruppe von jungen Männern und Frauen„Ich tanze nun und bin glücklich“

Eine besondere Geschichte sozialer Nachhaltigkeit

… vorgestellt von Ina Maria Tetzner, Abteilungsleiterin der Tanz-, Show- und Bewegungsabteilung der BT und BTJ-Vorstandsmitglied für Bildung und Vielfalt Alles begann in der Vorbereitung der Nationalen Spiele von Special Olympics Kiel 2018, als eine Gruppe für einen Flashmob für die große Eröffnungsveranstaltung gesucht wurde. Ich wurde angesprochen, denn unsere BT-Gruppe „Integrations DanceCrew“ gibt es schon seit 2010 und wir haben Erfahrung im Sport mit Menschen mit Behinderung.

So fand sich Kooperations DanceCrew „Tanzperium“ 2018 als AG in der Lichtenberger Werkstatt für Menschen mit Behinderung – kurz LWB – zusammen. Mit 10 Teilnehmenden fingen wir an.

Mittlerweile sind wir 20 Aktive, Tendenz zunehmend … Wir kommen wöchentlich mittwochs zusammen, die Freude ist immer riesengroß. Gemeinsam haben wir mehr als 20 verschiedene Tänze erlernt. Das ist eine große Leistung für Menschen mit geistigen Einschränkungen. Und es hat ihren Alltag nachhaltig verändert. (» Reportage BB 3-2023)

Es gab auch kleine Hürden, die die Teilnahme erschwerten, aber mit viel Zeit und Geduld konnten wir gemeinsam Lösungen finden, z.B. um die Trainingszeit zu verändern (wegen Mittagessen und Küchendienst). Die Räumlichkeiten in der LWB und sogar der Fahrdienst wurden für die Teilnehmenden angepasst.

Die Gruppe ist sehr zusammengewachsen, es ist wie eine große Familie. Viele kommen mittlerweile trotz ihrer freien Tage oder im Urlaub zum Tanzen, der Mittwoch ist ein fester Bestandteil ihres Wochen- bzw. Tagesablaufes geworden. Selbst wenn sie sich mal nicht gut fühlen, sie sind da, schauen zu und haben mit uns gemeinsam Spaß. Die verschiedenen Tanzstile werden bewegungsgerecht angepasst und auf Einzelne abgestimmt.

Die Gruppe nahm schon an vielen Veranstaltungen teil, trat sogar bei den Special Olympics World Games 2023 auf. Wo sie auftaucht, ist viel Action, Herzlichkeit und pure Lebensfreude. Das ist auch bei den BTFB-Bewegungshorizonten, auf den Aktions-Bühnen oder dem Ball der Lebenshilfe Berlin zu spüren gewesen. Es gibt gemeinsame Auftritte der Gruppe „Integrations DanceCrew“ mit Akteuren von „Tanzperium“.

Generell wünsche ich mir im Sport und in der Gesellschaft weitere Aufklärung und Akzeptanz, denn Inklusion und Integration sind keine Projektphasen zur Problembehebung von Barrieren, sondern sie sollten zu Alltagsgegebenheiten und Lebensweisen werden.

Stimmen aus der Gruppe

Jenny Maus: „Die Hinwege (zu Veranstaltungen) sind sehr gut immer gewesen, die Übung selbständig zu sein, ist wunderbar und die Auftritte haben den Zuguckern gut gefallen. Die Auftritte machen Riesenspaß, ich kann allen zeigen, was ich gelernt habe. Ich fand‘s auch gut, dass wir alle zusammen getanzt haben als Team. Ich tanze nun auch viel zu Hause und bin glücklich.“

Mareike: „Es macht mir wirklich sehr viel Spaß, vor so vielen Menschen zu tanzen, auch wenn es am Anfang für mich schwierig war mit so vielen Menschen umzugehen. Aber das hat sich schnell gelegt, denn du bist immer da für uns, nimmst uns die Angst. Auch die Fahrwege gehen langsam für mich ganz gut.“

Dani: „Ina, hat so viel Geduld mit uns, sie weiß, wie sie mit allen umgehen muss, ich könnte das nicht. Sie kommt und es geht die Sonne auf. Sie hat sogar geschafft, dass Franki nun tanzt, singt und beeilt sich, zum Tanzen zu kommen. Er trägt Orthesen-Schuhe, er muss aufpassen, dass er nicht stolpert. Ina erklärt gut und sie hat mit uns so trainiert, das ich besser wieder stehen, drehen und auf einem Bein stehen kann, das hilft auch auf Arbeit und zu zuhause.“

Anne: „Ich komme aus einer anderen Straße zum Tanzen, den Weg schaffe ich jetzt sehr gut alleine, darf nun auch alleine S-Bahn fahren. Ich freue mich so, wenn wir nach dem Tanzen noch zusammen zur S-Bahn laufen und wir quatschen, lachen und ich erzähle von meinem Hund.“

Melli: „Tanzen ist ein Teil meiner Seele, es macht die Menschen glücklich und es macht mich glücklich. Tanzen ist der schönste Ausdruck von Lebensfreude. Tanzen ist Träumen mit den Füßen!“

Ina Tetzner zur Nachhaltigkeit im Sport

Nachhaltigkeit ist soooo ein großes Feld mit 17 Bereichen und Zielen…! Wenn man sich damit beschäftigt und sich mal in Ruhe dazu Gedanken macht, dann kann man sagen, dass der Sport schon lange auf dem richtigen Wege ist und vieles schon seit Jahrzehnten versucht umzusetzen. Einiges funktioniert sehr gut und ist gut verankert, anderes ist schwer zu halten oder umsetzen, dazu benötigt es einen guten Background mit vielen Engagierten, Funktionen, Förderprogrammen und Menschen. Zum Beispiel das Ziel, dass alle Kinder & Jugendlichen am Sport teilhaben können mit Unterstützung durch verschiedene Projekte und Förderungen, wie durch das Bildungs- und Teilhabepaket (BuT) oder die Kooperationen von Schule&Verein oder „Kleine kommen ganz groß raus“, KitaSport&Verein oder sogar Patenschaften, worüber eine Mitgliedschaft dann gefördert wird.

Zur Nachhaltigkeit im Sport gehören auch immer Standort und Zustand der Turn & Sporthallen, denn Gesundheit fängt auch mit Wohlfühlen an dem Sportort an. So lieb und wunderbar ein/e Trainer*in ist: Wenn der marode Zustand einer Halle Ängste und Bedenken auslösen, Unwohlsein aufrufen, dann wechselt man schnell woanders hin, weil es da schöner ist.

Der Sport in den Vereinen lebt vom Ehrenamt und Engagement der Menschen, die es vorleben und die Freude an dem Angebot es an die Mitglieder weitergeben. Sie vermitteln die Sportgemeinschaft und was es bedeutet, sich nicht nur gesundheitlich etwas für sich zu tun, sondern auch für und mit anderen.

Viele Veranstaltungen bei uns im Verband sind mittlerweile nachhaltig geworden und nicht mehr wegzudenken, wie das Familienfest des LSB, die BTFB-Bewegungshorizonte, It’s Showtime, DTB/DTJ Kinderturnshow und Kinderturnsonntag u.v.m.

Wünschenswert sind Aufklärung, Toleranz und Unterstützung

Der Sport mit seinen Verbänden und Vereinen ist eine gute Basis, um das Thema der Nachhaltigkeit der Angebote für das Sporttreiben im Bereich der Inklusion & Integration voranzubringen und zu sehen, dass sie auch gehalten und weitergeführt werden in allen den Facetten und Förderungsmöglichkeiten, die es gibt oder die geschaffen werden müssen.

Für soziale Nachhaltigkeit in Bezug auf die Inklusion gibt es noch viele Hürden in unserer Gesellschaft; es muss auch an vielen Stellen noch nachgebessert werden oder überhaupt mal in Angriff genommen werden. Kleine Schritte geht man schon und das ist der Anfang, aber der Weg muss auch zu Ende gegangen werden. Generell wünsche ich mir weitere Aufklärung und Akzeptanz, dass sich noch mehr bestehende Gruppen für Menschen mit Behinderungen öffnen und den Teilnehmenden und den Trainerinnen Respekt und Wertschätzung entgegengebracht wird. Die Themen Integration und Inklusion müssen noch mehr in die Mitte der Gesellschaft rücken. Das braucht Zeit. Aber das, was da ist, benötigt Plätze, um stetig präsent zu bleiben. Wie zum Beispiel dieses Magazin oder eine Veranstaltung.

Um die Rahmenbedingungen halten und ausbauen zu können, bedarf es mehr Unterstützung – langfristige, festetablierte Gelder und Personal, engagierte Ehrenamtliche. Denn Inklusion und Integration sind keine Projektphasen zur Problembehebung von Barrieren, sondern sie sollten zu Alltagsgegebenheiten und Lebensweisen werden.

Um die Teilhabe am Sport und zu andere Themen der Nachhaltigkeit zu gewährleisten, muss sich das Netzwerk noch mehr verknüpfen und aufklären: Wo bekomme ich Hilfe, gibt es Netzwerktreffen, Ansprechpartner & Förderungsmöglichkeiten? Wie können Vereine und Beauftragte mit den Bezirksämtern und dem Senat Kontakt aufnehmen für gemeinsame Brennpunkte im Sport – hier z.B. ein Runder Tisch oder eine Fachtagung zu dem großen Thema Nachhaltigkeit im Sport.



Externe Links zum Artikel:
» „LWB Aktuell“ Homepage und Heft
» Tanz in den Frühling 2024

Weitere Quellenangaben / Informationen zum Artikel:
Foto: Juri Reetz