Der BTFB ist … Gesundheitssport
Bernd Mies, BTFB-Präsidialratsmitglied, verantwortlich für Gesundheitssport, berichtet im BewegtBerlin-Interview für die Sonderausgabe „75 Jahre BTFB“ von der Entwicklung des Gesundheitssports von den Anfängen bis in die Gegenwart.
Wie und seit wann sind Sie mit dem BTFB verbunden und was schätzen Sie am Verband?
Im Jahr 1988 habe ich an der Deutschen Sporthochschule in Köln mein sportwissenschaftliches Studium mit einem Diplom abgeschlossen. Als Berufsanfänger betraute mich ein Berliner Großverein mit dem Aufbau und der Entwicklung eines gesundheitsorientierten Sportstudios in Berlin. Das war zur damaligen Zeit ein innovatives Unterfangen. So war dieses Gesundheitsstudio erst das vierte in Deutschland und in Berlin das erste seiner Art, das im organisierten Sport unter der Führung eines Sportvereins an den Start ging.
Warum war das so ungewöhnlich?
Hier muss man sich nochmals in jene Zeit zurückdenken: Es existierten zu dieser Zeit zwar eine Reihe Sportstudios, die kommerziell betrieben wurden. Jene hatten sich aber weitestgehend dem Leistungskraftsport und Bodybuilding gewidmet. Die Ansicht, dass sich ein solches Studio auch hervorragend für den Gesundheitssport mit dem Erwerb und Erhalt körperlicher Leistungsfähigkeit und ebenso für den Rehabilitationssport für die Wiedererlangung körperlicher und seelischer Gesundheit eignen könne, war recht neu.
Zur Person

Bernd Mies ist BTFB-Präsidialratsmitglied und verantwortlich für Gesundheitssport. Er ist Sportwissenschaftler und seit 1989 in Berliner Vereinen tätig, führte selbst auch Gesundheitsport-Gruppen mit den Schwerpunktthemen Orthopädie und Innere Medizin. Er arbeitet in einer großen ambulanten Rehaklinik in Berlin.
Der Anspruch seit Beginn der Eröffnung lag immer auf dem Schwerpunkt „Gesundheit“ und dem Nebeneinander zu kommerziellen Fitnessstudios. Der Zuspruch der Bevölkerung gab diesem Projekt sehr schnell recht. Viele Menschen suchten individuelle Betreuung und Hilfe bei den selbst gesteckten Zielen mit professioneller Unterstützung.
Auch das Gruppentraining war zu diesen Zeiten ebenfalls Veränderungen unterworfen. Die Menschen entdeckten zu dieser Zeit Wirkung und Nutzen des Sporttreibens auch in der Gemeinschaft. Dies ist meines Erachtens einer der positivsten Dinge, die dem organisierten Sport – und somit unserem Verband, dem BTFB – nahezu ein Alleinstellungsmerkmal sichert.
Das heißt, Prävention und Rehabilitation rückten mehr in den Fokus…?
Ja, der veränderten Zielstellung unserer Mitglieder haben sich in den letzten Jahrzehnten eine Vielzahl von Kolleginnen und Kollegen professionell gewidmet. Im Präventionsbereich wurde nicht mehr allgemein Gymnastik gemacht, sondern sehr differenziert auf die Bedürfnisse der Menschen eingegangen. Auch im Umgang mit Menschen, die krank waren oder von Krankheit bedroht waren, hat sich eine Menge getan. Ende der 1980er Jahre wurden die ersten Herzsportgruppen gegründet. Hier wurden Menschen mit Erkrankungen des Herzkreislaufsystem unter ärztlicher Aufsicht von speziell ausgebildeten Herzsportgruppenleiter*innen betreut. An dieser Stelle sei auf unser BTFB-Mitglied, den Sport-Gesundheitspark Berlin, verwiesen, der auf diesem Gebiet eine herausragende Stellung und einen ausgezeichneten Ruf genießt.
Ein großer Schritt war dann die Etablierung des Rhasports …
Neben den Herzsportgruppen entwickelte sich der Rehabilitationssport zu einer eminent wichtigen Säule des Sportangebots in Berlin. Inzwischen gibt ein flächendeckendes Angebot für viele Indikationen, bei der die Rehabilitand*innen unter fachkundigster Leitung wieder zurück ins Leben finden.
Hier ist die Gründung des Rehasportverbandes Deutschland (RSD) durch unser damaliges Präsidiumsmitglied Sabine Knappe hervorzuheben. Die enge Kooperation mit dem RSD ist heute unverzichtbarer Bestandteil im Angebot des BTFB.
Zeit bringt Veränderung mit sich – dem hat sich der BTFB immer gestellt. Die Veränderung des Anspruchs unserer Mitglieder, die Entwicklung im Rehabilitationssport, das Auftreten von Trends und Trendsportarten verlangen von allen Beteiligten sicheres und schnelles Handeln. Für den Bereich des Gesundheitssports ist das untrennbar mit Dr. Uli Levin verbunden, der dieses Ressort lange Zeit geführt hat.
Veränderung bringen aber auch erweiterte Anforderungen an unsere Kursleitenden mit sich. Diese müssen sich adäquat ausbilden und schulen lassen. Garant hierfür ist das Akademieprogramm des BTFB, jahrzehntelang geführt von Jurij Robel im Haupt- und Marlies Marktscheffel im Ehrenamt. Heute verfügt der Verband über eine professionelle und funktionierende Struktur, die es nahezu jedem Menschen in dieser Stadt (und dem Umland) ermöglicht, ein bestmögliches Sportangebot zu finden. Dies ist nur durch die gute und vertrauensvolle Arbeit aller Mitwirkenden zu erreichen.
Jemand sucht beim BTFB einen Sport, bei dem es um Erhalt der Gesundheit geht, und fragt Sie um Rat – was sagen Sie ihm?
Was den Gesundheits- oder Rehabilitationssport betrifft, so kann man fast behaupten, dass, wer diesen nicht findet, der sucht auch keinen. Vielleicht findet man nicht immer alles direkt vor der Haustür im Kiez, aber das Angebot im Freizeit- und Gesundheitssport sowie im Rehabilitationssport ist flächendeckend und vielfältig.
Viele unserer Vereine haben den Gesundheitssport für sich entdeckt und bieten ihren Mitgliedern eine Vielzahl von Kursen und Angeboten – von Aerobic bis Zumba – an. Einige Vereine haben sich auf diese Aufgabe spezialisiert, andere bieten neben ihrem Hauptsport auch ausgleichende und ergänzende Sportkurse mit an.
Gesundheitssport ist eines der Hauptbetätigungsfelder der Vereine im BTFB. Hier sollen die vielfältigen und attraktiven Bewegungsangebote der Vereine u. a. im Fitness- und Gesundheitssport in den Fokus der Menschen gestellt werden und zum Mitmachen motivieren. Es lohnt sich, sich beim Kiezverein mal umzuschauen, um zu sehen, ob etwas Adäquates dabei ist.
Natürlich kann der BTFB auch hilfreich unterstützen. Der erste und einfachste Weg geht in unserer heutigen Zeit über unsere Website. Aber auch keine Angst – wer keinen Computer oder Internetanschluss hat, bekommt verlässliche Auskunft über die freundlichen Mitarbeitenden unserer Geschäftsstelle. Diese erreichen unsere Mitglieder auch telefonisch. Die Angebote im Bereich des Rehabilitationssports sind in einer bundesweiten Datenbank zusammengefasst. Diese lässt sich unter der Web-Adresse https://rehasport-deutschland.de/gruppen/index einsehen und abrufen.
Worauf kann der Verband bzgl. der Entwicklung im Gesundheitssport stolz sein?
Der BTFB ist für viele Vereine zur Heimat geworden. In den Anfängen waren es hauptsächlich die Turnerinnen und Turner, die über ihren Kiezverein Mitglied im Berliner Turnerbund und somit unserem Dachverband dem Deutschen Turner-Bund angehörten.
Mit der Modernisierung und der Schaffung von Trendsportarten fanden viele Menschen keine Heimat, weil es keinen entsprechenden Fachverband gab. Dem hat sich der BTFB gestellt und die Freizeitsportarten mit ihren Menschen aufgenommen. 2009 haben wir unseren Namen auch offiziell in „Berliner Turn- und Freizeitsport-Bund“ geändert.
Jedes Jahr können wir nun – vertreten durch unsere Präsidentin Sophie Lehsnau und unseren Geschäftsführer Claudio Preil stetig wachsende Zahlen im Bereich der betreuten Vereine und unserer Mitglieder vermelden. Lediglich in Coronazeiten mussten wir schmerzlich einen Mitgliederverlust hinnehmen, der aber heute wieder mehr als ausgeglichen ist.
Mit über 103.000 Mitgliedern, davon über 42.000 Kinder- und Jugendliche in über 340 Vereinen weisen wir eine hervorragende Entwicklung auf, auf die man mehr als stolz sein kann. Hierbei tragen auch insbesondere die Gesundheits- und Rehabilitationssportangebote unserer Vereine mit bei.
Was ist zukünftig wichtig, um den Gesundheitssport weiter voranzubringen?
In den heutigen Zeiten, die viel zu häufig von Bewegungsarmut gekennzeichnet sind, müssen wir verstärkt darauf achten, ein ausreichend großes und qualitativ gutes Bewegungsprogramm für die Menschen in Berlin und der Umgebung zur Verfügung zu stellen. Hierbei müssen wir an alle Altersgruppen denken.
Die Kinder und Jugendlichen, denen zur Coronazeit eminent wichtige Bewegungsjahre und -erfahrungen genommen worden sind, in Hinsicht auf die immer weiter fortschreitende Technisierung und Automatisierung, verändert sich das Bewegungsbild der derzeit Berufstätigen und im Hinblick auf die sich verändernde Demographie müssen wir auch an die älteren und alten Menschen denken.
Das bedingt, gerade in der derzeitigen Situation des Fachkräftemangels, ein ständiges und nachhaltiges Werben um professionell agierende Kursleitende. Diese müssen adäquat ausgebildet sein, was unsere Akademie mit attraktiven und motivierenden Angeboten begegnen muss.
Ein großes Problem wird uns in Zukunft auch im Hinblick auf Quantität und Qualität der Sportstätten begegnen. Ich hoffe und erwarte, dass Sport, Schule und Vereine vom aufgelegten Infrastrukturprojekt der Bundesregierung partizipieren können. Denn nur in sauberen und funktionierenden Sportstätten, die in befriedigender Quantität vorhanden sein müssen, lässt sich qualitativ hochwertiger Gesundheits- und Rehabilitationssport durchführen.
Wenn Sie zurückdenken: Ihre schönste Erinnerung, ein besonders emotionaler Moment…
Der Gesundheits- und Rehabilitationssport bringt (fast) jeden Tag schöne und emotionale Momente mit sich. Es gibt kaum etwas Schöneres, als wenn unsere Mitglieder sich dergestalt äußern, dass sie fit sind, dass es ihnen besser geht, sie sich vollkommen erholt haben und sich ihr Selbst- und Weltbild nachhaltig verbessert hat. Diese tägliche Wertschätzung und Anerkennung unserer Mitglieder, Sportler und Rehabilitanden machen unser Tun so lebenswert.
Denn eines sollten all unsere Mitglieder verinnerlichen: „Es gibt kein Medikament und keine Maßnahme, die einen vergleichbaren Effekt für unsere Gesundheit hat, wie körperliches Training. Gäbe es ein solches Medikament mit solch hervorragenden Wirkungen und quasi ohne Nebenwirkung – jeder Mensch wäre gehalten, es zu nehmen und jeder Arzt wäre gehalten, es zu verschreiben.“ (Prof. Dr. Dr. Wildor Hollmann, leicht modifiziert)
Weitere Quellenangaben / Informationen zum Artikel:
Foto: Juri Reetz