Berliner Turnerjugend im BTB

Die Berliner Turnerjugend als Institution gibt es erst seit 1960. Sie ist der Jugendverband des Berliner Turnerbundes, Teil bzw. Mitglied der Deutschen Turnerjugend und Teil bzw. Mitglied der Sportjugend Berlin.

 

Turnerjugendarbeit gab es aber schon vor der Verabschiedung einer Jugendordnung. Gleich mit der Gründung des Berliner Turnerbundes im Jahre 1950 wurde in der Satzung verankert, daß sowohl ein Jugendwart für die übergeordneten Belange der gesamten Jugend im Vorstand, wie auch als Mitglieder des Hauptausschusses ein Jugendturnwart, eine Jugendturnwartin, ein Knabenturnwart und eine Mädchenturnwartin die Interessen der Jugend vertraten.

 

Bei der ersten Satzungsänderung 1951 wurde neben dem Jugendwart auch noch eine Jugendwartin in den Vorstand aufgenommen. 1954 wurde dem Antrag auf Satzungsänderung mit mehr Mitsprache der Frauen und Jugendvertretungen zugestimmt. Die Jugendwartin und der Jugendwart wurden der Hauptversammlung von der Jugendvertreterversammlung vorgeschlagen und konnten auf dem Turntag nicht mehr durch eigene Vorschläge aus der Versammlung ergänzt werden. Sie mußten gewählt oder nicht gewählt werden; ein erster großer Schritt zu einer eigenen Jugendsatzung!

 

Beim Landesturntag 1959 wurde die Jugendordnung Bestandteil der Satzung des Berliner Turnerbundes. Wegen der Meinungsverschiedenheiten über Inhalte der Jugendordnung mußte der Turntag unterbrochen werden und wurde dann zwei Monate später fortgesetzt und die Jugendordnung, welche sich eng an die Jugendordnung der Deutschen Turnerjugend anlehnte, genehmigt und beschlossen.

 

Die Ämter des Jugendwartes und des Jugendturnwartes wie auch das der Jugendwartin und der Jugendturnwartin wurden, mit kleinen Unterbrechungen, über viele Jahre hinweg von einer Person ausgeübt. Erst die Jugendordnung brachte mit den direkten Wahlen, entsprechend den vorgesehenen Ämtern, eine größere Verantwortungsvielfalt und damit eine Verteilung der Verantwortlichkeiten auf mehrere Personen. Neben den eigentlichen Ämtern in der Turnerjugend gab es im Laufe der Jahre noch eine Vielzahl fachlich zuzuordnenden Ämter. Erst waren dies z.B. Obmann für Schwimmen, für Turnen männlich, für Turnen weiblich usw. usw. Später wurden daraus dann Jugendfachwarte für die einzelnen Bereiche. Für fast alle Fachbereiche im Erwachsenenverband gibt es eine Entsprechung in der Turnerjugend. In einigen direkten kinder- und jugendrelevanten Fachbereichen gibt es dagegen keine Entsprechung im Erwachsenenbereich, es sind dies das Kleinkinder-Turnen, das Eltern-Kind-Turnen und der Bereich der Gruppenarbeit. Hier ist die Turnerjugend, wie auch im über- bzw. außerfachlichen Bereich, direkt selbst kompetent. Die Trennung der beiden Bereiche Kleinkinder-Turnen und Eltern-Kind-Turnen bzw. das Etablieren dieser Bereiche war nicht ohne Schwierigkeiten. Ingeborg Päckert für das Kleinkinder-Turnen und Ursula Stelse für das Eltern-Kind­Turnen leisteten hier jedoch Pionierdienste, und heute sind beide Bereiche aus dem Berliner Turnerbund nicht mehr wegzudenken. Inzwischen führt die Berliner Turnerjugend auch einige Fachlizenzausbildungen in Abstimmung mit dem Landessportbund Berlin selbst durch. In der neusten Zeit wird jedoch die Fachkompetenz der Jugend in einigen unterschiedlichen Bereichen von einzelnen Fachvertretern angezweifelt.

 

Der eigentliche Aufbau der Berliner Turnerjugend liegt meiner Meinung nach jedoch in der Zeit kurz nach der Wiedergründung des Berliner Turnerbundes und machte damit auch erst die Verankerung der Jugendordnung in die Satzung des Berliner Turnerbundes möglich.

 

Die Weitsicht der Gründerinnen und Gründer des Berliner Turnerbundes, gleich von Anfang an der Jugend ein satzungsmäßig verankertes Mitspracherecht im Vorstand wie im Hauptausschuß einzuräumen, hat sich sehr gut bewährt.

 

Die Aufbaujahre des Berliner Turnerbundes waren auch gleichzeitig die Aufbaujahre der Berliner Turnerjugend.

 

 

Vlnr.: Kurt Otto, BT-Jugendwart; Willi Pliquet, BTB-Lehrwart; Heinz Andrae, BTB­Vorsitzender; Mathilde Abt, BTB-Jugendwartin

Vlnr.: Kurt Otto, BT-Jugendwart; Willi Pliquet, BTB-Lehrwart; Heinz Andrae, BTB-­Vorsitzender; Mathilde Abt, BTB-Jugendwartin

Nach der sehr schwierigen Phase der Vereinsgründungen ab 1947, erschwert durch die vier Sektoren in der Stadt und die alliierte Gesetzgebung, war es auch 1950 nicht möglich, Sport- und Turngruppen der Bezirke, Turn- und Sportvereinigungen oder Turn­ und Sportvereine, die ihren Sitz und ihr Betätigungsfeld im sowjetisch besetzten Sektor hatten, in den Berliner Turnerbund aufzunehmen.

 

Schon vor der Gründung des Berliner Turnerbundes 1950 wurden anfangs noch im gesamten Berliner Raum Wettkämpfe ausgetragen. Beim ersten Turnfest nach dem 2. Weltkrieg in Neukölln 1950 waren schon Kinder und Jugendliche beteiligt.

 

Der Aufbau von eigenen Kinder- und Jugendabteilungen gestaltete sich anfangs schwierig. War doch ein großer Teil der Turnhallen zerstört, der Schulunterricht wurde in zwei Schichten (vormittags und nachmittags wechselweise) abgehalten, ausgebildete Vorturnerinnen und Vorturner waren kaum vorhanden, vielfach turnten Erwachsene, Jugendliche und Kinder zur gleichen Zeit in einer Halle. Ein Ventil waren hier die Sportplätze, auf denen teilweise noch Turnplätze mit Geräten vorhanden waren oder von irgendwoher gefunden wurden. Hier war auch gleichzeitig die Verbindung zum volkstümlichen Teil des Turnens, der Leichtathletik, gegeben.

 

Die Anfänge der Berliner Turnerjugend sind mit zwei Personen verbunden, die über viele Jahre hinweg sowohl die fachliche wie auch die überfachliche Jugendarbeit des Berliner Turnerbundes prägten, mit Mathilde Abt und Willi Pliquet. Schon von den ersten Zusammenkünften von Jugendleiterinnen und Jugendleitern, Vorturnerinnen und Vorturnern im Wannseeheim für Jugendarbeit, im Haus am Rupenhorn und im Haus der Jugend Koserstraße gingen die Impulse aus, die teilweise die Arbeit der Berliner Turnerjugend und des Berliner Turnerbundes noch heute mittragen. Viele der damals vermittelten Inhalte, Impulse und Ideale haben zwar heute andere Namen, an den grundlegenden Inhalten hat sich jedoch wenig oder nichts geändert. Die Ausbildung der jungen und manches Mal auch älteren Lehrgangs­ und Seminarteilnehmerinnen und -teilnehmer war

 

Angelegenheit des gesamten Turnerbundes. So waren bei den Wochenend- und Wochenlehrgängen immer Vertreter des Vorstandes mit Programmpunkten in Praxis oder Theorie eingebunden. Jeder gab das, was er konnte und beherrschte weiter, um den jungen Menschen, die Verantwortung übernehmen wollten, ein breitgefächertes Rüstzeug an die Hand zu geben. Auch die hauseigenen Lehrkräfte der oben genannten Institute und besonders die vom Haus am Rupenhorn halfen mit, den Blick und Sinn auch für die überfachlichen Angebote, über Sportplatz und Turnhalle hinaus, zu entwickeln.

 

Der Aufbau der Kinderarbeit ist ebenfalls fest mit zwei Personen verbunden. Anne-Lise Hintze und Walter Heidenreich als Mädchenturnwartin und Knabenturnwart waren von Anfang an im Turnausschuß des BTB tätig. In den von ihnen geleiteten und durchgeführten Kindertreffen, Berlin weit oder dezentralisiert, die immer mit einer Sternwanderung und einem kindgerechten Rahmenprogramm verbunden waren, lag ein prägender Anspruch, ebenso in der Ausbildung der Jungvorturnerinnen und Jungvorturner, die dann teilweise bald eigene Abteilungen in den Vereinen übernahmen. Die Kindertreffen verbunden mit Wettkämpfen waren nie Selbstzweck, sondern hatten immer einen pädagogischen Hintergrund verbunden mit dem Heranführen an die Ideale des fröhlichen miteinander Tuns im turnerischen Sinne.

 

Bundespräsident Prof. Dr. Theodor Heuss spricht in der Ehrenhalle am Funkturm zur Turnerjugend anläßlich der Deutschen Jugendbestenkämpfe im Gerätturnen in Berlin vom 1.-4. Mai 1952

Bundespräsident Prof. Dr. Theodor Heuss spricht in der Ehrenhalle am Funkturm zur Turnerjugend anläßlich der Deutschen Jugendbestenkämpfe im Gerätturnen in Berlin vom 1.-4. Mai 1952

Beim zweiten Bundesturnfest (jetzt Landesturnfest) in Spandau 1952 gab es nach strittigen Diskussionen vieler Beteiligter einen Tag der Kinder, und es wurde ein voller Erfolg. Kinder nahmen so zum ersten Mal mit vollem Programm an einem Landesturnfest teil; geleitet und betreut von der Jugendleitung des BTB und den vielen, durch die verschiedenen Lehrgänge und Seminare ausgebildeten, jungen Menschen, denen so ein großes Vertrauen entgegengebracht wurde. Wettkämpfe und Veranstaltungen für Kinder sind seitdem ein fester Bestandteil bei Landesturnfesten. Neben den regelmäßigen Seminaren turnfachlicher und überfachlicher Art für Jugendleiterinnen und Jugendleiter wurden auch für Jugendturnerinnen und Jugendturner reine fachliche Übungsabende abgehalten, unterschieden nach offenen Übungsstunden und Einladungsübungsstunden zur Heranbildung einer turnerischen Wettkampfmannschaft. Die Besten aus den Vereinen wurden hier zusammengefaßt und mit ihnen – nach heutigen Gesichtspunkten – trainiert, um so zu einer Jugendstadtmannschaft im männlichen und weiblichen Bereich zu kommen.

 

Schon vor der Gründung des Berliner Turnerbundes vertraten die Berliner Jugendbesten (heute Berliner Meister) bei den Bundesjugendbestenwettkämpfen (heute Deutsche Jugendmeisterschaften) des späteren Deutschen Turner-Bundes die Berliner Turnerjugend. In diesem Zusammenhang sind die vielen Erfolge der Jugendlichen im turnerischen Vergleich mit denen anderer Bundesländer zu sehen. Auch die über viele Jahre hinweg durchgeführten Städtewettkämpfe Hamburg – Berlin stehen in dieser Tradition. Jeweils wechselweise wurde im Dezember in Hamburg oder Berlin geturnt, und immer war nur das Gesamtergebnis der Mädchen- und der Jungenmannschaft, das den Sieg ausmachte. Ein Rahmenprogramm machte aus jedem Wettkampf eine echte Jugendbegegnung. Neben den Lehrgängen für das Gerätturnen, die berlinweit die besten Mädchen und Jungen zusammenführten, ist noch der schwimmerische Bereich zu erwähnen. Unter Aufsicht des Schwimmausschusses (unter der Leitung von Otto Monke), trafen sich sonntags im Postbad die Schwimmer. Hier wurde besonderer Wert auf die Ausbildung der Schwimmerinnen und Schwimmer mit besonderem Schwerpunkt bei den Jahnkämpfen gelegt. Viele Siege von Berliner Jugendlichen bei den jährlichen Jahnwettkämpfen des DTB in Osnabrück legten hiervon Zeugnis ab. Im Bereich der Turnspiele entwickelten sich schon bald eigene Runden, die anfangs noch in die Spielpläne der Erwachsenen mit einbezogen wurden, jedoch im Lauf der Zeit immer eigenständiger wurden und heute aus der fachlichen Arbeit der Turnerjugend nicht mehr wegzudenken sind.

 

Als besonderen Erfolg ihrer gezielten gerätturnerischen Schulungen und deren Ergebnisse bei den Vergleichskämpfen, konnte die Führung der Berliner Turnerjugend die Vergabe der Jugendbestenwettkämpfe im Gerätturnen 1952 nach Berlin verbuchen. Niemand der Anwesenden wird die festliche Eröffnung in der Ehrenhalle der Messehallen am Funkturm vergessen mit den Ansprachen des Bundespräsident Professor Dr. Theodor Heuss und des Vorsitzenden des Deutschen Turnerbundes Dr. Walter Kalb. Die Wettkämpfe fanden in der Messehalle statt, untergebracht werden mußten alle Teilnehmer privat und das bei den damals noch beengten Wohnverhältnissen. Durch eine Berechnungspanne konnte die Siegerehrung nicht am Wettkampftag durchgeführt werden.

 

Im Rahmen einer Stadtrundfahrt aller Teilnehmer durch das gesamte Berlin mit Halt in der Hasenheide wurde die Siegerehrung dann am Fuß der Feuerschale im Olympiastadion durchgeführt. Ein großartiges Erlebnis, das dann 1962 durch den Jugendwart Günter Hein anläßlich der gleichen Veranstaltung noch einmal inszeniert wurde. Viele Jugendbestenkämpfe und Jugendmeisterschaften hat es inzwischen gegeben, aber diese beiden Veranstaltungen waren bestimmt ein unvergeßlicher Höhepunkt.

 

Auch schon vor der Gründung des BTB, fuhren Abordnungen von Jugendleiterinnen und Jugendleitern zu den Treffen der Deutschen Turnerjugend in das Bundesgebiet. Aus diesen Treffen entwickelten sich in der Folgezeit der Deutsche Jugendturntag und verschiedene Formen von Seminaren und Bundestreffen sowie bundesweite Zelt- und Ferienlager.

 

Zwei Mal hat die Deutsche Turnerjugend ihre Vollversammlung nach Berlin vergeben. Beim ersten Mal 1964 wurde in der Urania getagt und der Rahmen dieser Veranstaltung fand in der Kongresshalle statt, die wenige Wochen danach einstürzte. Die zweite Vollversammlung der DTJ fand im Vorfeld des Turnfestes 1987 statt. Für die Eröffnung wurde eine Kirche nahe der Gedenkstätte Plötzensee in Charlottenburg gewählt, gewohnt wurde im Jugendgästehaus der DJH in Wannsee, getagt wurde im Fontanehaus im Märkischen Viertel, der Bundesjugendwart gab sein Einverständnis zur Wahl telefonisch über Lautsprecher bekannt. Beide Male für die Teilnehmer und für die Organisatoren, ein bleibendes Erlebnis.

 

Viele tausend Mädchen und Jungen sind über die turnerischen Kontakte der Vereine und Verbände in die Zelt- und Ferienlager befreundeter Verbände und Vereine gefahren und haben dort, auch durch die finanzielle Unterstützung durch die Sportjugend Berlin, der Bezirksämter, des Senats von Berlin und der turnerischen Freunde im übrigen Deutschland, ihre Ferien verbracht. Mit Unterstützung der Sportjugend Berlin hat die Berliner Turnerjugend auch Ferienlager in eigener Verantwortung durchgeführt, hier sind als besondere Beispiele Spiekeroog und Mardorf zu nennen.

 

Die Zahl der durchgeführten Vereinsfahrten, Ferienaufenthalte oder Abenteuerfahrten in die übrige Bundesrepublik oder das Ausland, bei denen die Kontakte zu befreundeten Vereinen der Auslöser waren, läßt sich nicht aufzählen. Die Teilnahme von Mitgliedern der Berliner Turnerjugend an Pilotprojekten der Deutschen Turnerjugend, der Deutschen Sportjugend, des Deutschen Bundesjugendringes und anderer Institutionen war immer gegeben. Selbst in den damaligen sog. Ostblock sind Mitglieder der Berliner Turnerjugend, auch gegen den Widerstand fremder staatlicher Stellen, mitgefahren.

 

Zwei besondere Höhepunkte waren die Teilnahme an der Chilefahrt der Deutschen Turnerjugend und der Aufenthalt in Spanien. Auch hatten einige die Möglichkeit als Gruppe oder als Delegation nach Japan fahren zu können. Hier wurde entsprechende Vorarbeit durch Günter Hein geleistet, der sich sehr stark beim Japanaustausch der Deutschen Sportjugend engagierte. An allen internationalen Olympischen Jugendlagern nahmen dank der Initiative der entsprechenden Jugendleitungen der Berliner Turnerjugend und der Vereine über die entsprechenden Auswahlverfahren Jugendliche der Berliner Turnerjugend teil.

 

Deutsches Turnfest 1953 in Hamburg: Fahneneinmarsch der Deutschen Turnerjugend ins Stadion.

Deutsches Turnfest 1953 in Hamburg: Fahneneinmarsch der Deutschen Turnerjugend ins Stadion.

Die beiden Deutschen Turnfeste 1968 und 1987 sowie die Weltgymnaestraden 1975 und 1995 in Berlin wurden zum großen Maße auch von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Berliner Turnerjugend mitgestaltet. Bei beiden Turnfesten gab es jeweils einen Geschäftsbereich Jugend, der von Mitarbeitern der Berliner Turnerjugend geleitet und betreut wurde. Hierbei beschränkte sich die Gestaltung nicht nur auf die Wettkämpfe, sondern auch auf verschiedenen geselligen Veranstaltungen, die es galt, jugendgemäß durchzuführen. Selbstverständlich war auch die aktive Teilnahme von Kindern und Jugendlichen an den Vorführungen unter Anleitung ihrer Betreuer/innen.

 

1987 stand ein gesamter Hallenkomplex von der Jugend für die Jugend zur Verfügung, der gestaltet und mit Aktivitäten und Leben gefüllt wurde. Die Wannseefete war zweifelsfrei neben einer Vielzahl von jugendspezifischen Veranstaltungen einer der Höhepunkte.

 

Noch in der Euphorie der gelungenen Jugendveranstaltungen beim Turnfest beschloß der Jugendrat der Berliner Turnerjugend 1991 das erste Berliner Jugendturnfest durchzuführen. Es wurde zwei Jahre hindurch intensiv geplant und geworben, es kamen auch auswärtige Gruppen, und für viele war es ein gelungenes Fest mit vielen schönen Veranstaltungen. Jedoch es gab auch die ganz negative Seite: Die Veranstaltung endete für den Berliner Turnerbund mit einem großen Defizit. Die Einnahmen für die kartenpflichtigen Veranstaltungen flossen nicht in der vorgeplanten Größenordnung, die Reklame erreichte die Bevölkerung offensichtlich nicht, der Jugendsekretär wechselte in den Vorbereitungen seinen Arbeitsplatz, der Verantwortliche für Finanzen nahm seine Arbeit nicht mehr wahr, für die Wannseefete wurde ein Generalvertag abgeschlossen, der nicht zu decken war. Die Landesjugendwartin, der Landesjugendwart, der Kassenwart des BTB und der Vorsitzende des BTB verzichteten auf eine erneute Kandidatur. Der Senat half mit einer Ausfallbürgschaft, der Landessportbund Berlin stundete die fälligen Beiträge, alle Fachwarte des BTB reduzierten ihre Finanzansätze und so konnte sich der BTB wieder aufrichten. Stand die Gymnaestrada 1975 noch überwiegend im Licht der internationalen Vorführbereiche und die ehemaligen und derzeitigen Mitarbeiter/innen der Berliner Turnerjugend beteiligten sich innerhalb der eigentlichen Organisation, so hatte die Jugend bei der Gymnaestrada 1995 einen eigenen Bereich.

 

Es gab den Betreuungsbereich für die Kinder in den Messehallen, eine Messehalle mit kindgerechten Spiel- und Sportangeboten, eine Vorführhalle, in der sich Gruppen außerhalb des festgefügten Veranstaltungsreglements präsentieren konnten. Auch die Vorführflächen am Alexanderplatz wurden überwiegend von Mitarbeiter/innen der Turnerjugend gestaltet.

 

Auch bei Deutschen Turnfesten außerhalb Berlins wirkten Mitglieder der Berliner Turnerjugend bei der Durchführung und Ausgestaltung im Jugendbereich mit. Beim Turnfest in Hannover z.B. gestalteten sie das gesamte Jugendbild mit allen Vorarbeiten bundesweit. Bei den Turnerjugendgruppenwettbewerben waren bis 1987 immer Berliner maßgeblich beteiligt. Ein besonderer Höhepunkt beim Turnfest in Essen 1963 war das Zeltlager der Berliner Turnerjugend im Park der Villa Hügel hoch über dem Baldeneysee mit 700 Jugendlichen, Mädchen und Jungen. Alle Teilnehmer/innen des Jugendlagers eröffneten mit einem Chor das Turnfest. Dann mußten alle vor dem Bundespräsidenten Lübke, der seinen Besuch angekündigt hatte, wieder im Lager sein. Eine große Aufgabe für Lagerleitung und Betreuer, sie wurde geschafft. Vom Lager aus ging es zu Wettkämpfen und Veranstaltungen. Nach Ende des Turnfestes unternahmen die Kinder und Jugendlichen in kleineren Gruppen noch Fahrten in die Landschaften des Westfalenlandes. Die gleich nach der Gründung des Deutschen Turnerbundes und auch schon davor aufflammenden Diskrepanzen innerhalb der Deutschen Turnerjugend zwischen bündischer Turnerjugend und sportlich bzw. wettkampfmäßig orientierter Turnerjugend hatte in der Berliner Turnerjugend keinen Nährboden. Dank einer umsichtigen Jugendführung und einer den ganzen Menschen umfassenden Ausbildung in den Seminaren und Lehrgängen fühlten sich alle, die Verantwortung trugen, verpflichtet, ihren Mädchen und Jungen beides, Fahrt und Lager, Erlebnis und Abenteuer auf der einen Seite und Gemeinschaft auch im Übungs- und Wettkampfbetrieb auf der anderen Seite anzubieten. So turnten die selben Mädchen und Jungen in Mannschaften an den Geräten, verglichen sich im Schwimmen, in der Leichtathletik und den verschiedenen Turnspielen und gingen auch mit ihrem Verein oder der Gruppe auf Fahrt oder in die Zelt- und Ferienlager oder trafen sich zum Heimabend oder anderen geselligen Veranstaltungen.

 

Viele dieser Gemeinsamkeiten wurden von der Turnerjugendführung organisiert, z.B. Tanzabende, Faschingsfeste, Wandertreffen, musische Wochenenden in den Bildungsstätten der Sportjugend Berlin und andere. Aber auch von Verein zu Verein fand ein reger Austausch im Wettkampf- und Begegnungsbereich statt. Hier wurden oft vorhandene Kontakte vertieft und gefestigt, die ihren ersten Auslöser beim Wettkampf oder einer gemeinsamen Fahrt gefunden hatten.

 

Unterstützt wurden alle Aktivitäten von einer im Rahmen der Möglichkeiten eigenständigen Jugendpresse. Schon in den ersten Jahren ist in der Berliner Turnzeitung eine eigene Rubrik zu finden, die sich mit den Belangen der Turnerjugend beschäftigte, die zwar von Verantwortlichen der Jugend gestaltet wurde, die aber sehr oft Beiträge zu jugendpolitischen Fragen von verschiedenen Vorstandsmitgliedern enthielt. In dem Auf und Ab der unterschiedlichen Intensität der Pressearbeit ragt das eigenständige Blättchen der Turnerjugendpresse in den 80er Jahren heraus, dass die Aktivitäten der Turnerjugend sehr gut unterstützte. Einen großen Anteil an der Jugendpressearbeit und dem Umsetzen von Ideen der Mitarbeiter hatte der jeweilige Mitarbeiter für Jugendfragen auf der Geschäftsstelle des BTB. Mit wechselnden Erfolgen und wechselnden Einmischungsmöglichkeiten versuchten die Jugendsekretäre, die nicht über alle Jahre hinweg kontinuierlich beschäftigt waren, ihre Arbeit für die Jugend im Auftrag der Verbandsjugendführung zu tun. Es wurde sogar möglich als Anerkennung für geleistete Arbeit, einen Teil des Gehaltes der Jugendsekretäre über die Sportjugend Berlin erstattet zu bekommen.

 

Die Auseinandersetzung um die Mitgliedschaft der Sportjugend im Landesjugendring und Bundesjugendring berührte auch die Berliner Turnerjugend. Ging es doch hier auch um das Recht, Räumlichkeiten der Bezirksämter und des Senates kostenfrei für Veranstaltungen und Heimabende nutzen zu können. Der Aufruf der Berliner Turnerjugend, nach Anerkennung der Sportjugend Berlin als gleichberechtigter Partner der anderen Jugendverbände, an die Jugendleitungen der Vereine, sich in den Bezirksjugendringen zu engagieren, wurde in vielen Bezirken erfolgreich umgesetzt. In vielen Bezirksjugendringen vertraten Angehörige der Berliner Turnerjugend die Interessen der Sportjugend Berlin.

 

Im gleichen Maß engagierten sich Mitglieder der Führung der Berliner Turnerjugend in den, über das sportfachliche hinausgehende, Gremien der Sportjugend Berlin, der Deutschen Sportjugend und der Deutschen Turnerjugend. Daß die Berliner Turnerjugend in all den Jahren auch in den unterschiedlichsten Gremien der Deutschen Turnerjugend ihr Mitspracherecht nutzte und oft kreativ und leitend mitarbeitete, entspricht eigentlich dem Selbstverständnis einer kompetenten Berliner Jugendführung, die darin gipfelte, daß auch Ämter in den verschiedenen Vorstandsgremien übernommen wurden. Im Vorstand der Deutschen Turnerjugend waren mehrfach Mitglieder der Berliner Turnerjugend in unterschiedlichen Positionen vertreten. Derzeit sind drei Personen der Berliner Turnerjugend im Vorstand der Deutschen Turnerjugend: Martin Hartmann als Vorsitzender, Nicole Schostak als Vorsitzende für den Fachbereich Öffentlichkeitsarbeit, Ingrid Kolupa als Bundesjugendturnwartin. Ähnliche Mitarbeit der Berliner Turnerjugend hat es bei der Sportjugend Berlin gegeben. Zur Zeit ist die ehemalige Landesjugendwartin der Berliner Turnerjugend, Claudia Zinke, Vorsitzende der Sportjugend Berlin.

 

Bei vielen Veranstaltungen der Sportjugend Berlin hatten Mitglieder der Berliner Turnerjugend maßgeblichen Anteil am Gelingen, besonders im musischen und überfachlichen Bereich. Vom Volkstanz als Rahmenprogramm bei den Stadionsportfesten vergangener Jahre und der aktiven und mitleitenden Teilnahme an unterschiedlichen Festen und Veranstaltungen reichen die Tätigkeiten, die auch immer noch nachgefragt werden.

 

All die größeren Turnerjugendtreffen wie z.B. Witzenhausen, Gummersbach, Coburg, Bodenwerder hatten Teilnehmer/innen der BTJ. Auch hier wurde die Mitarbeit immer wieder gesucht und angefordert. Im Vorfeld des Turnerjugendtreffens in Heidenheim 1980 veranstaltete die Deutsche Turnerjugend deutschlandweit einen Staffelsternlauf, auch die Berliner Turnerjugend beteiligte sich. Die Stafette wurde von Jugendlichen durch die Bezirke Berlins getragen, es gab an verschiedenen Wechselpunkten Veranstaltungen, bevor der Staffelstab dann mit einem Kleinbus und einer Abordnung auf die Reise nach Heidenheim ging, wo sie dann mit den anderen Länderstaffeln, auch von vielen Berliner Teilnehmern, die vorgefahren waren, empfangen wurde.

 

Einen ähnlichen Staffellauf gab es schon 1959 zur Eröffnung der Deutschen Turnschule in Frankfurt am Main. Nach dem Staffellauf quer durch Berlin wurden an der AVUS damals noch die Urkunden des Senats von Berlin und des BTB und das Banner des BTB im VW-Bus hinter den Schalungen versteckt. Auch hier durften Mitglieder der Berliner Turnerjugend an der Fahrt und an der Eröffnung der Deutschen Turnschule teilnehmen.

 

Die Teilnahme an dem ersten Treffen der Deutschen Sportjugend in Reutlingen 1955 war für die qualifizierten Gruppen (Jugendbestenkämpfe) und die begleitenden Berliner Jugendleiter/innen ein großes gemeinsames Erlebnis, dem noch viele folgen sollten, so z.B. das Treffen im Berliner Olympiastadion unter Leitung vom damaligen Vorsitzenden der Deutschen Sportjugend, Dr. Sälters.

 

Auch bei den Auswahllagern für die Teilnehmer an den internationalen Jugendlagern bei den Olympischen Spielen waren Mitglieder der Berliner Turnerjugend oft vorbereitend und durchführend gefragt. Nicht von ungefähr entwickelte sich aus all dem Mittun und Präsentsein bei den unterschiedlichsten Gelegenheiten und Veranstaltungen auch der Wunsch etwas Eigenes zu entwickeln. So entstand durch einen Auftrag der Deutschen Turnerjugend für die Gymnaestrada in Zürich 1982 eine Vorführung zu entwickeln, nicht ohne Widerstand im eigenen Verband, die jetzige Vorführgruppe des BTB Die Elefanten. Eine Gruppe getragen von Übungsleiter/innen der Vereine des BTB, die zu einem großen Teil aus der Turnerjugendgruppenarbeit kommen und im wechselnden Dialog immer wieder neue und ausgefallene Konzeptionen des Miteinander-Turnen entwickeln.

 

Einen nicht unerheblichen Anteil an dieser Entwicklung hatten auch die Lizenzausbildungen von jugendlichen Turnerinnen und Turnern des BTB, die unter der Leitung des damaligen Landeslehrwartes und Verbandturnlehrers Günter Langrock standen.

 

Neben allen Lehrgängen und Seminaren sind die Wurzeln all dessen auch beim Deutschen Turnfest in Hamburg 1953 zu suchen, besser in der Vorbereitung und dem damals erstmals durchgeführten Turnerjugend-Gruppenwettstreit. Ein Gruppenwettkampf, der auf den in Turnerkreisen schon seit langem bekannten Wimpelwettstreit beruht.

Im Vorfeld des ersten Deutschen Turnfestes nach dem zweiten Weltkrieg konnten Jugendliche aus Berliner Turnvereinen an einem gemeinsamen Zeltlager auf Sylt teilnehmen. Dickehen Dee/ geistert seitdem noch durch viele Köpfe und trug viel zum Gemeinsamen und zum Festigen innerhalb der Berliner Turnerjugend bei. Alle am Turnfest teilnehmenden Jugendlichen waren gemeinsam im Zeltlager untergebracht und besuchten auch die Veranstaltungen gemeinsam. Am DTVG (Deutscher Turnvereins-Gruppenwettstreit) beteiligten sich acht Gruppen (fünf Vierpaar- und drei Achtpaargruppen) und die Jugendlichen nahmen auch sonst an den verschiedensten Wettkämpfen teil. Seitdem ist das Jugendlager bei Deutschen Turnfesten nicht mehr wegzudenken. Es ist inzwischen international geworden und nicht nur bei den Berliner Turnfesten stehen Mitarbeiter/innen der Berliner Turnerjugend voll in der Verantwortung der Durchführung.

 

Die Inhalte des Turnerjugend-Gruppenwettstreit haben sich in der Zwischenzeit vielfältig gewandelt, und es sind Abwandlungen hinzu gekommen, aber geblieben ist, daß viele der ehemaligen Gruppenmitglieder, in vielen Vereinen, in den unterschiedlichsten Bereichen Verantwortung übernommen haben und damit den Gedanken der Vielseitigkeit und der Gemeinsamkeit weitertragen.

 

Aus der Wahldisziplin Orientierungslauf innerhalb des Turnerjugend-Gruppenwettstreites (TGW) entwickelten Mitglieder der Gruppen wieder den selbständigen Fachbereich Orientierungslauf des BTB, der dann nach dem Zusammenschluß unserer beiden Stadthälften einen großen Zulauf erhielt.

 

Zu einer großen Verbundenheit mit vielen Mitarbeiter/innen der Deutschen Turnerjugend und Freundschaften über Vereins- und Verbandsgrenzen hinaus, die teilweise heute noch Bestand haben, gab ein Zeltlager mitten in Berlin Anlaß. Die Berliner Turnerjugend organisierte unter Leitung ihres Landesjugendwartes Günter Hein 1961 im Volkspark Hasenheide ein Zeltlager für die Deutsche Turnerjugend anläßlich des 150. Geburtstages von Friedrich Ludwig Jahn. Keiner der Teilnehmer/innen der Veranstaltung ahnte damals, daß die Stadtrundfahrten durch das gesamte Berlin im August des selben Jahres für 38 Jahre nicht mehr möglich sein würden. Die Woche in Berlin mit Veranstaltungen und Begegnungen und gemeinsamem Erleben ist bei vielen bis heute haften geblieben.

 

Die Diskussionen um die Inhalte der Jugendordnung der Berliner Turnerjugend sind eigentlich seit dem ersten Aufflammen der Idee und der Notwendigkeit der Umsetzung nie abgebrochen. In der Deutschen Turnerjugend wurde von Beginn an um Formulierungen und Nutzen von Inhalten gerungen und mit den Gegnern auch kräftig gestritten. Bei vielen dieser Diskussionen waren maßgeblich auch Berliner Turnerjugendführer (so hießen die leitenden Mitarbeiter damals) beteiligt. Der damalige Landesjugendwart, Günter Hein, trug die Ideen der Jugendordnung vor und auch nach der Verabschiedung durch den Bundesturntag 1959 auf den Verbandstreffen an die Jugendleitungen der Berliner Vereine heran. Jedoch haben bisher nur wenige Berliner Vereine eine eigene Jugendordnung, die auch Bestandteil der Vereinssatzung ist. Es gibt jedoch auch kaum einen Verein, der Kinder und Jugendliche als Mitglieder hat, die aber keine gewählten Jugendvertreter im Vorstand haben.

 

Es darf auch nicht verschwiegen werden, daß es nicht immer möglich war, alle in der Jugendordnung vorgesehenen Posten mangels Kandidaten auf den Jugendturntagen zu besetzen. In der 70er Jahren trat aufgrund von Meinungsverschiedenheiten mit dem Vorstand des BTB ein Jugendvorstand fast komplett vom Amt zurück. Jedoch die Notwendigkeit einer funktionierenden Jugendführung einsehend, sprangen nach kurzer Zeit andere in die Bresche und führten die Arbeit fort.

 

Mit dem Zusammengehen der beiden Berliner Turnorganisationen nach der Wiedervereinigung dehnte sich auch der Einfluß- und Verantwortungsbereich der Turnerjugend auf die ganze Stadt aus. Besonders in spart- und turnfachlicher Hinsicht und im Wettkampfbereich war ein positiver Zuwachs zu vermerken. Bei den ausgetragenen Deutschen Meisterschaften und anderen Wettkämpfen verschiedener Diziplinen konnten hervorragende Erfolge verzeichnet werden. Durch die bis dahin teilweise völlig anderen Strukturen des Sports und der Jugendarbeit war es nicht einfach, überfachliche sportliche und turnerische Jugendarbeit verständlich zu machen. Doch arbeiteten von Anfang an interessierte und aufgeschlossene Menschen aus beiden Teilen der Stadt an einem gemeinsamen Verständnis von Turnerjugendarbeit.

 

Solange es innerhalb der Berliner Turnerjugend und des Berliner Turnerbundes möglich ist, junge Menschen an Verantwortung heranzuführen, ihnen Aufgaben zu geben, Gemeinschaftssinn erleben zu lassen und Eigenständigkeit zu erproben und sie dann dazu anzuregen, all dies auch weiterzugeben, wird es in den Vereinen und im Turnerbund auch Menschen geben, die diese Verpflichtungen in sich aufnehmen und diese auch weitergeben.



Weitere Quellenangaben / Informationen zum Artikel:
Text: Klaus Kolupa