Turner auf zum Streite
Manfred Nippe, Ehrenmitglied und Beauftragter für Sportgeschichte des LSB Berlin, beleuchtet in diesem Beitrag die Zeit der ersten Berliner Turnvereine.
Turner auf zum Streite: Der “Berliner Turnrath” – erster Sportverband der Hauptstadt.
Der lange Weg bis zu den ersten Berliner Sportvereinen und Verbänden
Die Errichtung eines pädagogisch betreuten Abendteuerspielplatzes in der Berliner Hasenheide im Jahre 1811 – so würden wir den ersten Turnplatz Deutschlands heute nennen – hätte eigentlich die Geburtsstunde des Vereinssports in Berlin sein können. Leider war die Politik dagegen. Waren die turnerischen Übungen des Lehrers Friedrich Ludwig Jahn mit seinen Schülern von der Plamannschen Erziehungsanstalt zuerst im strengen Preußen willkommen, weil dadurch wehrhafte Soldaten 1813 in den Krieg ziehen konnten, so führte der spätere Massenbetrieb auf dem Turnplatz und der von Jahn mit der Turnkunst verbundene Wunsch nach Einigung der deutschen Stämme zum Verbot sowohl der Turnerschaften als auch der mit ihnen verbundenen aufmüpfigen Burschenschaften und zur Turnsperre von 1819 und 1826 zum Turnverbot.
Die Turnplätze wurden geschlossen und die vom preußischen Erziehungsministerium bereits entworfenen Pläne zur Einführung des Schulturnens verschwanden in den Schubladen. Jahn wurde wegen demagogischer Umtriebe und Hochverrats zu Festungshaft verurteilt und auf der Spandauer Zitadelle und dann in Küstrin inhaftiert – später aber hiervor freigesprochen. Das Turnen durfte fortan nur noch privat betrieben werden, Ansammlungen ehemaliger Turner in der Öffentlichkeit oder in Tanzsälen der Gasthäuser wurden von der Obrigkeit beobachtet und aufgelöst.
Die von Jahn und dessen Schülern betriebenen rd. 150 Turnplätze in den deutschen Königs- und Fürstentümern hatten sehr viel von einem Verein, so wie wir ihn heute kennen, an sich: Schüler und Erwachsene turnten gemeinsam, eine einheitliche Turnuniform hob die Trennung zwischen Armen und Reichen, Arbeitern, Bürgern und Adligen auf. Jeder Turner zahlte Beiträge, mit denen die Turnplätze, Turn- und Spielgeräte, der Turnlehrer und in Berlin auch ein Nachtwächter gegen diebische Nachbarn, finanziert wurden. Die selbst ausgebildeten Vorturner arbeiteten ehrenamtlich. Die Besucher der Turnplätze erklärten schriftlich ihren Beitritt und die Annahme der Satzung (Turngesetze), sie bekamen eine Mitgliedskarte (Turnmarke) und ihre Teilnahme an den Turnübungen wurde statistisch erfasst. Jahns Turnplatz in der Hasenheide war sozial offen für alle: Minderbemittelte, die Schüler der Taubstummenanstalt, des Schindlerschen Waisenhauses und der Garnison-Schule durften den Turnplatz umsonst nutzen.
In Hamburg und Mainz schauten Polizei und Obrigkeit nicht ganz so genau hin, so dass sich 1816 die Hamburger Turnerschaft und 1817 der Mainzer Turnverein aus den Mitgliedern der früheren Turnplätze gründen konnten: Die ersten (eigentlichen) Sportvereine der Welt! In der preußischen Hauptstadt war das unmöglich. Privater Turnunterricht, so ein von dem Jahnschüler Eiselen in der Dorotheenstraße mit 200 Knaben, 70 Turnern und 40 Fechtern betriebener Turnsaal, war die Ausnahme und dienste vordergründig der ärztlichen Rehabilitation, so z.B. auch durch Angebote für Mädchen.
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Weitere Quellenangaben / Informationen zum Artikel:
Text und Fotos: Manfred Nippe